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Messe mit Sprengkraft

■ Minister über Rüstungsschau verärgert/ Kirchengemeinden und Initiativen protestieren

Der Warschauer Pakt ist zerbrochen, die Nato sucht nach neuen Aufgaben, für die Produktion von Rüstung schwindet zunehmend das öffentliche Verständnis, und die Aufträge aus den Staatshaushalten werden seltener. Nur die Rüstungsindustrie will die Trendwende nicht begreifen. Auf der diesjährigen Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung liege der Anteil von Rüstungsprodukten auf dem Ausstellungsgelände und beim Flugprogrammen bei über einem Viertel, heißt es aus der Brandenburger Staatskanzlei. Allerdings seien für diese Angabe nur Maschinen und Produkte einberechnet, die Hoheitszeichen tragen.

Waffen sind denn auch das Thema, an dem sich die Geister scheiden. In Schönefeld finde keine Rüstungsmesse statt, sagt Hans-Anton Zebralla, Sprecher des Wirtschaftsministeriums in Potsdam. Für Militärs hätten die Luftfahrtausstellungen auf den Flughäfen Le Bourget (Paris), Faranborough (London) und Singapur eine viel wesentlichere Bedeutung. Dort betrage der militärische Anteil nahezu die Hälfte, weiß Folkward Oelwein vom Bundesverband der Deutschen Luftfahrt-, Raumfahrt- und Ausrüstungsindustrie e. V. (BDLI). Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) betont, daß nur jedes fünfte Flugzeug militärischer Natur sei und sich sieben von acht großen Veranstaltungen der Bundeswehr mit Themen wie dem Katastrophenschutz befaßten. Der Jäger 90 nehme keine besondere Stellung ein.

Umweltminister Matthias Platzeck und Bildungsministerin Marianne Birthler (beide Bündnis 90) sind dagegen enttäuscht. In den letzten Wochen habe sich herausgestellt, daß die Flugzeugmesse zu einer Militärschau mutiert sei. Dabei habe die Landesregierung im vergangenen Jahr ihre Zustimmung zur ILA nur unter der Bedingung erteilt, daß die Messe einen zivilen Charakter trage, erläutert Stefan Woll, Sprecher des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport. Wie hoch der Anteil der Rüstungindustrie an der Messe prozentual ist, sei nicht relevant, weil sich zwischen militärischen und zivilen Produkten der Luftfahrtindustrie keine genaue Grenze ziehen lasse. Sollte es unmöglich sein, künftig Flugzeugmessen rein zivil durchzuführen, könne sein Ministerium nur sagen: »Nie wieder.«

Die Bundeswehr findet die Vorwürfe der Bündnis-90-Minister nicht gerechtfertigt. Denn die Hardthöhe habe ihr Programm im Vergleich zu den Ausstellungen in Hannover deutlich reduziert. Mit der eingeschränkten Präsentation wolle man zeigen, wofür öffentliche Gelder ausgegeben werden und sich als Arbeitgeber darstellen, sagt Oberstleutnant Ulrich Twrsnick.

Die High-Tech-Präsentation wird nicht ohne Störungen ablaufen. Ein Bündnis von Bürgerinitiativen, Kirchengemeinden und Parteien hat Proteste angekündigt. Der kalte Krieg gelte als beendet, die Folgen der Kämpfe im Irak, Kurdistan, Armenien und Jugoslawien seien noch nicht absehbar, Deutschland aber präsentiere Wehrtechnik, bemängelt der Berliner Landesverband der Fraktion Bündnis 90. Beim »Frieden machen« helfen überall deutsche Waffen mit, die Waffenexporte der Bundesrepublik nähmen ständig zu, argumentiert die Partei. Offiziell seien im Jahr 1988 Waffen im Wert von 5,3 Milliarden Mark, 1989 im Wert von sieben Milliarden Mark und 1990 im Wert von 13 Milliarden Mark ins Ausland geliefert worden. Die Brandenburger PDS protestiert gegen die Ausstellung der Bundeswehrkampfflugzeuge Tornado, Phantom, MiG 29 und Alpha-Jet sowie verschiedener Marineflieger und Hubschrauber. Durch die Zurschaustellung militärischer Produkte im Bereich der Luft- und Raumfahrttechnik werde Brandenburg für Investoren der Rüstungsindustrie attraktiv dargestellt. Die Synode der berlin-brandenburgischen evangelischen Kirche lädt zu einem Gespräch über »Rüstungsproduktion und Konversion in Deutschland« ein. In der Kirche in Schönefeld soll am Sonntag, dem 14. Juni, um 17 Uhr mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft erörtert werden, wie eine weitere Abrüstung in Europa möglich ist. Die Berliner »Kampagne gegen Wehrpflicht« und »Emil«, eine landesübergreifende Bürgerinitiative mit dem Namen »Entmilitarisierung der Internationalen Luftfahrtausstellung«, wollen »medienwirksame Demonstrationen« organisieren.

Am vorletzten Tag der Ausstellung soll eine Menschenkette den Haupteingang des Flughafengebäudes mit den Zugängen zum Ausstellungsgelände verbinden. Der Flughafen Schönefeld soll symbolisch in »Ramstein II« umbenannt werden. »Emil« besteht aus dem Unabhängigen Friedens- und Konfliktforschungsinstitut Berlin e.V., dem Zentrum für regionale Konversion Strausberg, Vertretern von Pax Christi, Bündnis 90, SPD, PDS, der Bürgerbewegung Bohnsdorf und der BI-Tempelhof. Protestierer könnten die ILA in der Tat empfindlich treffen. Denn die Polizei wird schon ohne Demonstrationen alle Hände voll zu tun haben, um den Verkehr auf den Zufahrtswegen in Bewegung zu halten. Dirk Wildt

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