: „Da war nur Kitsch und Nippes“
In Berlin wurde gestern das ehemalige Geschenkelager des DDR-Ministerrats versteigert/ Leninbüsten neben Würfelbechern/ Viel Presse, aber wenig InteressentInnen/ Die Geschichte der Präsente war für die KäuferInnen nicht das wichtigste ■ Aus Berlin Bettina Markmeyer
Willi Stoph, der letzte Vorsitzende des DDR-Ministerrates, hat die schwarze, mit Vögeln bemalte Bodenvase, die er vom kambodschanischen Prinzen Sihanouk geschenkt bekommen haben soll, offenbar nicht geschätzt. Jedenfalls nicht so, daß er sie mit nach Hause nahm. Und auch einen sich aufbäumenden Rappen für die Vitrine, den der sowjetische Botschafter „dem lieben Freund der Sowjetunion“ zu irgend einem Kampf-Jubiläum verehrt hatte, ließ Stoph stehen. Jetzt ist Stoph Häftling der Bundesrepublik Deutschland — und die Vase und das schwarze Pferd ist er seit Mittwoch auch los.
Die Sachen kamen gestern in Berlin unter den Hammer, zusammen mit tausend anderen aus dem einstigen Geschenkelager des Ministerrats der DDR. In diesem Lager horteten die Herren all das, womit sie glaubten, die Häupter der Welt beglücken zu können, verwahrten — wie Stoph — offensichtlich auch das, womit sie beglückt worden waren, und, meint ein Angestellter, griffen selber zu, wenn sie was wünschten oder brauchten, das im durchschnittlichen DDR-Geschäft nicht zu kriegen war.
Die Mischung ist bunt — außer an repräsentative Präsente war an Geschenke für brave FunktionärInnen offenbar auch gedacht. Teure Lampen aus Meißner Porzellan und Kristall aus Weißwasser finden sich neben Lederwürfelbechern und „Sommerhüten für 36 Pfennig das Stück“, also „Müll“, wie der Auktionator Bernd E. Schulz feststellt, der das Zeug schließlich verkaufen muß.
Im einstigen Ministerratsgebäude, das jetzt vom Bundesarbeitsministerium und dem Bundeskanzleramt genutzt wird, ist die Sammlung ab acht Uhr früh zu besichtigen. Den Ministerratsgeschenken geht es wie der Politik: „Mit der Wende“, steht im Auktionsprospekt, „konnten [sie] nicht mehr die vorgesehenen Empfänger erreichen.“ Also gehen sie den Treuhand-Weg und werden privatisiert.
Kaum hundert KaufinteressentInnen flanieren vor Beginn der Versteigerung nicht eben zahlreich an der langen Reihe Tische vorbei, auf der Bücher und Gläser, Wandtteller und Koffer, Leninbüsten und Thälmann- Teppiche aufgereiht sind. Ab elf Uhr wird geboten, jetzt wird geguckt.
Eine Händlerin aus Hannover hat „überhaupt kein Interesse daran, wo das hier herkommt“. Für „DDR- Sachen interessieren sich meine Kunden nicht“. Sie will preiswert Kristall und Geschirr einkaufen und wundert sich nicht nur über das eine oder andere besonders geschmacklose Stück, sondern auch über den „enormen Presserummel“. Wer sich für die Jagd interessiert, wie der Shortsträger aus Bad Segeberg, kann, dank gleichgelagerter Interessen der Herren Honecker, Mittag und anderer, eine Saufeder erwerben oder jenes volkseigen produzierte Jagdgeschirr aus Kahla, dessen Suppenterrine ein Gewehr ziert.
Mit einer Saufeder übrigens sticht man ein angeschossenes Wildschwein ab — wem sie geschenkt werden sollte, wird immer ungeklärt bleiben. Eine Hallenserin ist „nur mal so“ hergekommen und würde, „wenn man nicht immer soviele auf einmal nehmen müßte“, am liebsten einige Minibücher ersteigern. Zu DDR-Zeiten waren sie heiß begehrt und nie zu kriegen.
Lediglich ein Westberliner mit goldenem Reichsadler am Halskettchen, Militärhemd und einer — allerdings vom frühen Bier herrührenden — Fahne ist gekommen, um Geschichte zu kaufen. Nun, er sammle Orden, sagt der Mann, „aus allen Zeiten und Ländern“ und Militaria natürlich. Aber da sei hier ja nicht viel zu holen. Die billigen Anstecknadeln mit Marx-Engels-Lenin in der Vitrine bekomme man auch am Brandenburger Tor nachgeschmissen. Nun will er den Sportpokal kaufen, den Stoph einmal verliehen hat, denn ihm — anders als den anderen — „kommt es nicht darauf an, was es ist, sondern wo es gestanden hat“. Und für die „Kosacken in der Steppe“, einen Ölschinken, der die Weite der Steppe etwa so treffend darstellt wie der röhrende Hirsch den deutschen Wald, würde er glatt 4.000 bis 5.000 Mark hinblättern.
Die Geschenkesammlung des DDR-Ministerrates wird von der Vebeg, der „Verwertungsgesellschaft von besatzungseigenen Gütern“ versteigert, die seit etwa 40 Jahren für die Bundesregierung arbeitet. Für die Vebeg und den Auktionator Schulz sind die real existierenden Scheußlichkeiten nichts als „materialisierte Steuergelder“, die so schnell wie möglich wieder verflüssigt werden müssen. Flehentlich bittet ein Vebeg-Angestellter, die „Schnäppchen“ unbedingt heute oder morgen abzuholen. Über die Vebeg sind auch die NVA-Bestände versteigert worden. Eine Aufgabe wie diese sei für ihn, der er sich sonst mit Militärfahrzeugen herumschlage, etwas Besonderes, sagt Schulz, bevor er beginnt, den Hammer zu schwingen: „Wir haben hier Schönes und Kurioses, Praktisches und, naja, eben auch Müll.“
Also weg mit dem Zeug. „50 Mark sind geboten, 50 Mark, 50 Mark und 60 Mark, die Dame dort, 60 Mark, und wer bietet 10 Mark mehr, 70 Mark sind geboten, 70 Mark...“ Schulz redet so schnell wie hoch, hantiert mit dem Hammer in der Linken, rechts den Kugelschreiber, flink, konzentriert, ohne Ende redend. Einen schlichten Meißner Teller mit dem Sturm aufs Winterpalais hätte er sich vielleicht gekauft, sinniert hinten im Saal ein Berliner, oder den mit Brecht drauf. Aber die sind zu teuer. „Und sonst ist es hier“, sagt er, „wie als sie nach Ceausescus Tod die Schränke geöffnet haben. Man erwartete werweißwas, aber da drinnen war nur Nippes und Kitsch.“
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