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Eine Frage der Sauberkeit

Auch ohne Katrin Krabbe stand bei den Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften in München die Frage, wie eine Leistung erreicht wurde, im Mittelpunkt des Interesses — vom DLV abgesehen  ■ Aus München Peter Unfried

Katrin Krabbe hat, so war letzte Woche in Neubrandenburg festzustellen, wieder einen Busen. Das war das eine. Das andere ist, daß sie nicht mehr so schnell wie früher laufen kann. Und so schnell, um all jenen zu entfliehen, die nach dem Zusammenhang zwischen dem einen und dem anderen fragen, sowieso nicht. Diese ewige Fragerei hatte der Blonden bekanntlich am Ende so aufs Gemüt geschlagen, daß sie „psychovegetativ“ gestört zu Hause blieb, während die anderen im Münchner Olympiastadion vor spärlichster Kulisse ihre Deutschen Meister kürten.

Dem DLV-Präsidenten Helmut Meyer kam dieser Verzicht alles andere als unrecht, die Abwesenheit der mutmaßlichen Urinfälscherin, so hoffte er, würde von all jenen unschönen Dingen ablenken, die in der letzten Zeit das hehre Bild der hiesigen Leichtathletik befleckt hatten. Er hoffte mal wieder vergebens.

Denn wenn Krabbe auch leiblich nicht präsent war, gegenwärtig war sie stets. Speziell natürlich im 100m-Lauf, in dem ihre mitangeklagte Sprinterkollegin Silke Möller in 11,46 Sekunden den dritten Platz belegte. In mäßigen 11,46 hätte man früher gesagt. Denn früher, in Rom 1987, war die Rostockerin Doppelweltmeisterin geworden und hatte Zeiten unter 11 Sekunden heruntergetrommelt, genauso selbstverständlich wie Katrin Krabbe letztes Jahr in Tokio. Heute ist die Einschätzung erheblich schwieriger. Vergleicht man etwa mit den 11,70, die Krabbe vergangenen Sonntag lief, noch dazu, wo hier Gegen- und dort Rückenwind herrschte, müßte man die 28jährige loben, da sie diesen Vergleich der aller Wahrscheinlichkeit nach sauber gelaufenen Zeiten klar für sich entscheidet. Doch saubere Zeiten, und da wird die Sache noch verzwickter, sind selbstverständlich kein Kriterium für den DLV und seine Olympianormen. Die Funktionäre orientieren sich an internationalen und wie auch immer erzieltem Niveau und fordern 11,25 Sekunden, was für die Körper, deren sich die Frauen Krabbe und Möller einst bedienten, ein Kinkerlitzchen war — den aktuellen aber kaum abzufordern sind.

Oder kann man tatsächlich „top without doping“ sein? Silke Möller jedenfalls behauptet trotzig, zumindest die Norm sei kein Problem. Für sie nicht und für die Katrin schon gar nicht, denn: „Die Katrin ist besser als ich. Das steht fest.“ Und letzten Sonntag? „Das in Neubrandenburg war nicht die echte Katrin.“ Psychovegetativ bedingt, meint sie, aber sie trifft auch sonst den Nagel auf den Kopf, denn die echte Katrin hatte, wie bereits herausgearbeitet worden ist, keinen Busen.

Aber Norm hin, Norm her, Möller, Krabbe und die ebenfalls zu Hause gebliebene Grit Breuer sind für den DLV eh erledigte Fälle. Man ist sicher, daß die drei am kommenden Wochenende in London von der IAAF sowieso aus dem Sportverkehr gezogen werden. Dabei spielt es in der ganzen leidigen Sache für die sauberen Harren weder unter moralischen noch sportethischen Gesichtspunkten eine Rolle, daß die Frauen unsauber gearbeitet haben. Eine Rolle spielt lediglich, daß sie sich dabei haben erwischen lassen. Was man bedauert, denn nun kann der DLV statt mit 17 Medaillen wie in Tokio, für Barcelona gerade mal mit deren zehn kalkulieren, denn allein fünf Edelmetalle waren bei der WM den Neubrandenburger Methoden von Trainer Springstein zu verdanken.

Aber es hilft ja alles nichts mehr. Präsident Meyer muß die Sprinterinnen opfern, will dafür dann aber seine Ruhe haben und keine dummen Fragen mehr hören. Zum Beispiel die nicht, warum die Speerwurf- Olympiasiegerin Petra Maier, bereits für Olympia qualifiziert, unvermittelt ihren Start in München absagte. Meisterin Silke Renk (Halle) jedenfalls wollte „das lieber nicht kommentieren“. Dafür erzählte sie, daß sich die Weltjahresbeste Karen Forkel (Halle) beim Einwerfen verletzt habe, was übrigens auch dem Ex-Weltrekordler im Diskuswurf Wolfgang Schmidt passiert sein will. Zugegeben, das kann genauso passieren, wie daß Olympiasieger Rolf Danneberg im selben Wettbewerb erstmals seit Dekaden nicht einmal mehr über die 60 Meter hinauskam. Aber verübeln kann es einem auch keiner, wenn man sich da so seine Gedanken macht. Oder, Rolf Danneberg? „Überhaupt nicht.“

Aber bitte. Es gibt auch weiterhin die „good guys“. Dazu zählen neben den Heiligenscheininhabern Henkel und Baumann neuerdings auch der Hürdensprinter Florian Schwarthoff, den man für völlig sauber hält, und der sich dennoch in der Weltspitze etabliert hat, sowie die Siebenkämpferin Sabine Braun, die über die Hürden den Spezialistinnen enteilte. Und dan gibt es natürlich nach wie vor Heike Drechsler. Die Weitspringerin aus Jena gewann auch den Sprint. Danach saß sie gelangweilt in der Pressekonferenz neben Silke Möller, als auf jene die Fragen nach Schuld und Sühne herunterprasselten. Klar, die Drechsler ging das ganze herzlich wenig an. Sie war schließlich nicht beim Betrügen erwischt worden. Gottseidank: Denn nun, da es sich ausgekrabbt hat, muß sie in Barcelona eben den Part von Meyers und Deutschlands Blondine Nummer 1 übernehmen.

Männer, 20 km Gehen: 1. Robert Ihly (Offenburg) 1:23:39,49 Stunden, 2. Axel Noack 1:24:06,13, 3. Ralf Weise 1:24:14,13, 4. Hartwig Gauder (alle Erfurt) 1:25:48,88, 5. Markus Pauly (Leipzig) 1:26:24,34, 6. Ralf Rose (Fürth) 1:26:35,84, 7. Denis Trautmann (Gleina) 1:27:11,57, 8. Volkmar Scholz (Berlin) 1:27:49,55

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