: Punktsieger ist die Alu-Industrie
Seit der Einführung des Grünen Punktes nimmt die Zahl der Dosen zu/ Umweltverbände und SPD ziehen vernichtende Bilanz/ In Bonn landen die nicht verwertbaren Reste in der Müllverbrennung ■ Von Hermann-Josef Tenhagen
Berlin (taz) — Die Einführung des Grünen Punktes vor genau einem Jahr hat bislang vor allem der Industrie genützt: In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel konnten die Alu- Konzerne 40 Prozent mehr Halbliter-Alu-Dosen absetzen. Und die im Dualen System Deutschland (DSD) organisierten sogenannten Entsorger haben sich einen neuen Milliardenmarkt erschlossen. Die traditionelle Pfandflasche und die Umwelt sind dagegen mehr und mehr unter die Räder geraten.
Diese vernichtende Bilanz des neuen privaten Abfallsystems zogen gestern in Bonn der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und die SPD-Umweltpolitikerin Marion Caspers-Merk. Alu-Dosen bekämen mit dem Grünen Punkt Umweltverträglichkeit signalisiert, Pfandflaschen nicht. Solange dieses neue Müllsystem ein „Marketinginstrument“ für Dosen sei, müsse es boykottiert werden, folgerte der BUND- Müllexperte Detlef Dittmann. Der BUND forderte Bundesumweltminister Klaus Töpfer auf, der „Dosenlawine“ endlich ein Ende zu setzen und Mehrwegverpackung bei Getränken vorzuschreiben.
Der Ökologe Dittmann prangerte gleichzeitig auch die „Recyclinglüge“ der Entsorger beim Kunststoff an. Da würden aus Joghurtplastikbechern dann überflüssige Zaunpfähle und Parkbänke gegossen, die schließlich doch auf der Deponie landeten. Die Müllvermeidung, die das Abfallgesetz eigentlich vorsehe, werde vom Dualen System zu Grabe getragen.
Nicht nur hat die Zahl der Dosen mit der Zahl der gelben Tonnen zugenommen, die Verwertung der inzwischen 60 Prozent Verpackungen mit Grünem Punkt sei keinesfalls gesichert, schimpfte BUND-Experte Harald Friedrich am gleichen Ort.
Die derzeitigen Kapazitäten zur Kunststoffverwertung liegen bei unter 100.000 Tonnen im Jahr, erforderlich sind bis 1995 600.000 Tonnen. Deshalb sollen Kunststoffe zwischengelagert werden. Beim Altpapier plant die Industrie wegen der heute schon bestehenden Schwemme in großem Umfang Exporte ins Ausland.
Genau deswegen verlangte die SPD-Abgeordnete Caspers-Merk gestern genaue Nachweise über die stoffliche Verwertung der eingesammelten Materialien. Die bisherigen pauschalen Verwertungsgarantien reichten nicht aus. Es bestehe die Gefahr, daß statt der Müllberge nun Berge aus „Wertstoffen“ entstünden, die dann ins Ausland verschoben würden.
Sinn und Unsinn des Grünen Punktes zeigt das Beispiel Bonn: Der Entsorger Trienekens und die Stadt hatten im Juli 1991 als erste mit einer gemeinsamen Entsorgung begonnen. Verbraucherinnen und Verbraucher klärte das Unternehmen mit Mengen an Handzetteln auf, was sie wie in die gelbe Tonne füllen können, die auf Anfrage zusätzlich vor ihrer Haustür steht.
Trienekens hatte Erfolg, die Gelben schmücken inzwischen überall das Stadtbild. Die BonnerInnen zeigten sich auch durchaus lernfähig. Papier und Glas sortierten sie mit guten Ergebnis vor und in die schmucken gelben Tonnen kam nur das hinein, was offziell hineingehört. In der Fachsprache: Fehlbefüllung unter fünf Prozent.
Dennoch bleiben nach Recherchen von Greenpeace schließlich 30 bis 40 Prozent des Tonneninhalts als Sortierreste übrig. Verbleib dieser Reste — die umstrittene neue Müllverbrennungsanlage in der ehemaligen Hauptstadt.
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