piwik no script img

Konkurrenz für Mozart

■ Wiederentdeckte Oper: »Una cosa rara« von Martin y Soler und Lorenzo da Ponte

Was für ein zierliches Terzett: »Warum schlägt mir das Herz so sehr?« fragt der Prinz. »Ja, warum schlägt ihm das Herz so sehr?« fallen die Königin und der Höfling Corrado ein.

Die Antwort liegt auf der Hand. Der Prinz befindet sich auf dem Lande, mitten in heiterer Natur, fern von höfischen Zwängen. Bald begegnet ihm auch das Objekt, an das er seine freischwebende Sehnsucht heften kann — Lilla, das schönste Mädchen des Dorfes.

Nur ist da ein Problem: Lilla ist dem feurigen Bauernburschen Lubino bereits aufs herzinniglichste zugetan und hält daran fest, so drängend der Prinz sie auch umwirbt. Eine »seltene Sache«, wenn Schönheit und Tugend sich kombinieren. Alle folgenden burlesken Verwicklungen basieren auf dieser einfachen Grundkonstellation.

Am Ende wird der allgemeinen Glückseligkeit nur Corrado geopfert, der als Hofschranze Intrige und Korruption der Sitten verkörpert. Die Oper ist von 1788. Rousseau wäre begeistert gewesen.

Das Wiener Uraufführungspublikum mochte Martin y Solers »Una cosa rara« lieber als Mozarts ein Jahr zuvor gespielte »Hochzeit des Figaro«, und die heutige Wiederaufführung in der Regie von Alexander Paeffgen und unter der musikalischen Leitung von Christoph Hagel zeigt, daß Mozarts Konkurrenten in Wien keineswegs so unterlegen waren, wie es kitschige Romanbiographen gern erscheinen lassen. Solers Musik ist hinreißend, witzig und direkt, sanft und südlich, »ein Frühlingshauch«, schrieb der Freiherr von Knigge 1789 in einer Kritik. Und das Libretto hat der geniale »Figaro«- und »Don Giovanni«-Dichter Lorenzo da Ponte geschrieben, der die Intrige, die sich in der Nacherzählung nur kompliziert anhören würde, absolut klar und einleuchtend vor uns hinstellt.

Paeffgen, Hagel und ihr Ensemble leisten etwas, wozu sich Staatsopern heute offensichtlich zu schade sind: musikalische Theaterarbeit. Sie verzichten auf die rein museale Authentizität der italienischen Originalsprache und schaffen dafür eine Art Authentizität des Bühnenerlebnisses, indem sie das Stück in deutsch singen lassen. Die Sänger artikulieren unter Hagel so präzise, daß man tatsächlich fast jedes Wort versteht und also nicht nur — wie sonst so oft in der Oper — verständnislos einem vielleicht schönen, aber abstrakten musikalischen Ablauf folgt, sondern einem Theaterstück, das Wortwitz auch noch mit den köstlichsten Melodien verbindet.

Das Bühnenbild kommt mit schlichten Lichteffekten und einem rollenden Möbel aus, das je nach Position ein Haus von außen oder ein Zimmer von innen darstellen kann. Etwas ratlos lassen allein die Kostüme — pastellenes Batik für die Bauern, leuchtendes Rot für den Adel. Sie verweisen weder auf die Entstehungszeit der Oper noch auf Spanien — wo sie spielt —, noch auf die Gegenwart, sondern auf eine ziemlich vage märchenhafte Zeitlosigkeit und tun damit der Direktheit der Inszenierung Abbruch.

Die Sänger sind ausnahmslos auf der Höhe ihrer Kunst und werden von einem federnden und leichten Orchester getragen. Hans-Georg Priese als Lillas Bruder Tita und Itziar Real als Lilla ragen heraus. Klar, daß sich der Prinz in sie verliebt: Sie kann so schön singen. »Der du hier keine süße Veränderung in deiner Seele fühlst, Mensch! Verbirg dein Antlitz vor der Menschheit, und traure um deiner selbst willen!« Knigge hat völlig recht. thc

»Una cosa rara«, Drama giocoso in zwei Akten, Musik: Martin y Soler, Libretto: Lorenzo da Ponte, deutsche Fassung und Regie: Alexander Paeffgen, Musikalische Leitung: Christoph Hagel, Bühne: Björn Reinhardt, Kostüme: Iris Elstrodt, mit Itziar Real, Anne- Lisa Nathan, Christian Voigt, Torsten Frisch, Katia Guedes, Hans- Georg Priese, Chor der Neuen Opern- und Theaterbühne, Freies Kammerorchester Berlin. Täglich bis Sonntag.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen