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Verbale Munition gegen Liberalismus und Multikultur

■ Deutsche rechtsextreme Organisationen bekunden in ihren Blättern ihre Solidarität mit Kroatien durch einen Propagandafeldzug für völkische Selbstbestimmung

Zentrale Schaltstelle in Sachen Solidarität mit Kroatien in der Bundesrepublik ist die seit 1983 bestehende „Deutsch-Kroatische Gesellschaft“ (DKG) mit Sitz in Hamburg. Ihr Präsident, Hans Peter Rullmann, war einst Spiegel-Korrespondent in Belgrad und gibt jetzt den Pressedienst Ost-Dienst heraus. Er initiierte entscheidend die Gründung der „Gesellschaft für kroatisch-deutsche Freundschaft“, die im Dezember 1991 in Zagreb in Anwesenheit deutscher und kroatischer Honoratioren erfolgte.

Daneben beliefert der 59jährige das neurechte Nachrichten- und Theorieorgan Europa Vorn, das revanchistische Ostpreußenblatt sowie das internationale Militärmagazin Barett mit Artikeln und Berichten. Rullmann referierte auch auf der Herbsttagung der revisionistischen „Zeitgeschichtlichen Forschungsstelle Ingolstadt“ in Köln. Ungeachtet seiner Aktivitäten in rechtsextremen Publikationen und Vereinen konnte Rullmann am 10. November 1991 in Frankfurt den Göppinger CDU-Rechtsaußen und Bundestagsabgeordneten Claus Jäger bei der DKG-Jahreshauptversammlung als Ehrenvorsitzenden und den stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Jungen Union, Christian Fischer, als Ehrengast begrüßen.

In Europa Vorn (EV) prangert Rullmann „Europas kalkulierten Verrat“ an Kroatien und Slowenien an und preist den „allgemeinen Volkswiderstand“. Nach Meinung des EV-Herausgebers Manfred Rouhs kämpfen auf dem Balkan „die Nationalisten auf der einen Seite, der materialistisch-hedonistische Abschaum auf der anderen“. Seine Position ist dabei klar: „Wir kämpfen für den totalen, weltweiten Sieg des Nationalismus. Wir wollen keine Kompromisse.“

EV-Autor Wolfgang Strauss geht in der September-Ausgabe des letzten Jahres noch einen Schritt weiter. Er führt das „völkische Gen“ zur Begründung für die Unvereinbarkeit serbischen und kroatischen Zusammenlebens an. Für ihn findet am Balkan ein „Kampf der Kulturen“ statt: „Zwei Wertordnungen prallen aufeinander, zwei Archetypen völkischer Selbstverwirklichung“. Die Grenze zwischen „Orient und Okzident“ verlaufe mitten durch Jugoslawien. „Über diesen Abgrund führt keine Brücke.“

Rehabilitierung der kroatischen Ustascha

Keine Frage, wer dabei überlegen sei: „Die Tschetniks sind in einem ähnlichen Bewußtseinszustand wie die Deutschen oder Mitteleuropäer vor vierhundert, fünfhundert Jahren“, urteilt Strauss. Er erklärt das Experiment Jugoslawien für gescheitert und damit auch die „Utopie von der multikulturellen, multinationalen Gesellschaft für beerdigt“.

Für das Organ der REP-Abspaltung „Deutsche Liga“, die Deutsche Rundschau, wird derzeit in Jugoslawien die „Neue Weltordnung und die supranationale EG-Politik zu Grabe getragen“. Um dies zu forcieren, fordert man, Kroatien mit Waffen aus NVA-Beständen zu unterstützen. Ansonsten mache sich die Bundesrepublik „mitschuldig an dem drohenden Völkermord in Kroatien“ und mache „unsere eigene Zukunft in einem Europa der freien Völker zunichte“.

Der rechtsintellektuellen Publikation Junge Freiheit (JF), die sich selbst als Organ eines modernisierten Konservatismus versteht, bleibt es schließlich in der Juni-Ausgabe vorbehalten, die kroatische Ustascha unverblümt zu rehabilitieren. JF- Autor Michael Paulwitz findet nichts dabei, daß die HOS-Verbände auf ihren Kampfanzügen den alten Ustascha-Gruß „Für die Heimat bereit“ und das Ustascha-Abzeichen tragen. Er korrigiert die Zahlen der von der Ustascha ermordeten Serben nach unten und gibt dem bosnischen HSP- Führer recht, daß „allein eine Politik der starken Faust das Land von den Okkupanten befreien“ könne. Deswegen sei es auch „konsequent“, wenn die Partei eine eigene Miliz, die HOS, unterhalte.

Kroatische Autoren tummeln sich in nahezu allen rechtsextremen Blättern und referieren auf entsprechenden Tagungen. So reiste die kroatische Abgeordnete Vesna Pichler eigens aus Osijek ins bayerische Passau an, um an der diesjährigen Kundgebung der „Deutschen Volksunion“ (DVU) am 14. März teilzunehmen. Politiker von Tudjmans Regierungspartei HDZ als auch von der Oppositionspartei HDS stehen den Europa Vorn-Redakteuren in Interviews Rede und Antwort. Der in Ulm lehrende Professor Hrvoje Lorkovic sprach beim Gesamtdeutschen Kongreß der rechtsextremen „Gesellschaft für freie Publizistik“, der laut bundesdeutschem Verfassungsschutz „weiterhin größten rechtsextremistischen Kulturvereinigung“, vom 8. bis 10. Mai dieses Jahres in Rothenburg ob der Tauber über die „Bedeutung der volkischen Identität und der Volksseele“.

Im nationalrevolutionären Siegfried Bublies-Verlag in Koblenz gibt Lorkovic zusammen mit dem Criticon-Autor Mladen Schwartz das Buch „Das kroatische Trauma“ heraus. In der im selben Verlag herausgegebenen Zeitschrift wir selbst spricht Lorkovic von einer „kroatischen Kultursuperiorität“. Mit solchen Äußerungen hat es der Ulmer Professor immerhin neben dem Chefideologen der französischen neuen Rechten, Alain de Benoist, ins Impressum des Magazins Europa Vorn Spezial gebracht.

Die Aktivitäten des rechtsextremen „Schiller-Instituts“, das 1984 auf Initiative der Vorsitzenden der „Europäischen Arbeiterpartei“ (EAP), Helga Zepp-LaRouche, gegründet worden war, alarmierten gar die SPD-Bundestagsabgeordnete Barbara Weiler aus Fulda. Sie registrierte, daß der ehemalige Leiter des MAD der Bundeswehr, General a.D. Paul Albert Scherer, einen Solidaritätsaufruf des „Schiller-Instituts“ unter dem Titel „Tut endlich was für Kroatien“ unterzeichnet hatte. Eine entsprechende Anfrage konnte Innenstaatssekretär Neusel nicht beantworten. Über das Schiller-Institut lägen „keine näheren Erkenntnisse über politische Aktivitäten“ vor. Bernd Siegler

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