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PRODUKT BERLIN

■ Der Stadt ist die klare Identität abhanden gekommen. Manager und Politiker suchen nach einem freundlichen Image udn neuen Marktstrategien

Der Stadt ist die klare Identität abhanden gekommen. Manager und Politiker suchen nach einem freundlichen Image und neuen Marketingstrategien

VONEDITHKRESTA

Wie kann das „Produkt Berlin“ besser vermarktet werden? Oder: „Ist Berlin noch eine Reise wert?“ war das Thema eines Experten-Hearings, veranstaltet von der Berliner CDU-Fraktion. CDU-Politiker, Vertreter des Hotel-, Gaststätten- und Messegewerbes bis hin zur Berliner Taxi-Innung machten sich Gedanken zur Zukunft des Berlintourismus, vor allem zum werbewirksamen Image. Denn das fehlt der Stadt nach einhelliger Meinung der Experten. Die Mauerstadt hatte ihr eindeutiges Wahrzeichen und mußte sich um ein internationales Markenzeichen nicht mühen; und auch noch die Wende lockte massenhaft Touristen, in Erwartung, den Puls der Zeit ganz nah zu fühlen. Doch inzwischen ist der touristische Alltag in Berlin eingekehrt. Alltag zwischen Ost und West. Die weltpolitische Exotik gehört der Vergangenheit an. Nun sucht man irgendwo zwischen Metropole, Hauptstadt aller Deutschen und Berliner Subkultur ein neues, marktträchtiges Image zu meißeln.

Die Experten um den runden Tisch auf dem lukrativen Restaurantschiff Esplanade taten sich allerdings schwer damit. Der Vertreter des Schaustellerverbandes, Harry Wollenschläger, bemängelte einen fehlenden Volksfestplatz für seine Klientel; die Berliner Entertainment Companies, vertreten durch Michael Poetter, pries die einzigartigen Spielorte Berlins und geißelte das fehlende Selbstbewußtsein der Stadt; Herr Landeck von der Aaustellungs-, Messe- und Kongreß Gesellschaft (AMK) kritisierte die hohen Preise im Hotelgewerbe; das Gaststätten- und Hotelgewerbe in der Person Dr. Wegener, befand seinerseits die AMK zu teuer; die Geschäftsführerin der City AG, Remus- Woelffling, glaubte mit einer privaten Wachschutzgruppe die Attraktivität des Ku'damms zu erhöhen; und Herr Peter von der Taxi-Innung sah die Rettung Berlins in Olympia. In der Tat ist bei soviel Lobbyismus sehr schwer ein einheitliches Konzept, geschweige denn ein „ganzheitliches Erscheinungsbild“ — nach dem alle Beteiligten sehnlichst suchen — vorstellbar.

Diese „corporate identity“, wie es Herr Hünnekens von der Sisyphos Werbeagentur formulierte, sei das A und O einer erfolgreichen Vermarktung der Stadt im wachsenden Konkurrenzgeschäft des Städtetourismus. Mit Attraktionen wie dem Musical „Cats“ in Hamburg oder „Star light Express“ im biederen Bochum, die dort die Besucher in Scharen locken, sei dies nicht getan. Notwendig sei vielmehr ein Marketing, das die vorhandenen touristischen Segmente der Stadt zielgruppenspezifisch aufbereitet. Dazu gehöre die nachtschwärmerfreundliche Kneipenkultur für den Kegelklub genauso wie die historische Stadtrundfahrt für die Bildungsbeflissenen. Um diese spezifischen Attraktionen, irgendwo zwischen Kneipenkultur und Historischem, positiv und als Ganzes zu präsentieren, reichen, darüber waren sich alle Teilnehmer einig, die Strukturen des jetzigen Fremdenverkehrsamtes nicht aus. Notwendig und geplant ist daher eine Tourismus GmbH, in der Staat und Wirtschaft an einem Strang ziehen. Diese privatwirtschaftliche GmbH mit den Sponsoren Staat und Wirtschaft solle zukunftsweisend eine erfolgreiche Vermarktung sichern. Das derzeitige Fremdenverkehrsamt sei dazu weder personell noch finanziell in der Lage. Mit einer GmbH hofft man, die einzelnen privatwirtschaftlichen Interessen besser unter einen Hut zu bringen und attraktive „Packages“ für Touristen durch Kooperation zu ermöglichen. Diese ist bislang nicht sonderlich entwickelt, wie das Experten-Hearing zeigte. Aber vielleicht schweißt ja die gemeinsame Suche nach dem besonderen Flair der „Weltstadt im Werden“ auf privatwirtschaftlichen Füßen zusammen und läßt über den eigenen Tellerrand blicken. Und Identität, insbesondere die ganzheitliche, ist schließlich vor allem eine Frage des geschickten Marketings.

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