: Notstand auf dem Sozialamt
■ In Gröpelingen kümmert sich das Sozialamt nur noch um Notfälle
Seit gestern herrscht auf dem Sozialamt Abteilung Gröpelingen der erklärte Notstand. „Montags und donnerstags werden nur noch 10 Vorsprachen abgewickelt“, steht auf Zetteln, die an den Türen hängen. „Neuanträge“ von Sozialhilfeempfänger nur noch mittwochs und nach Terminabsprache. „Wir können nicht mehr“ sagt eine Mitarbeiterin im Volkshaus. Für den Bereich „Gröpelingen I“ sieht es am Schlimmsten aus: Von 7 Kräften sind nur zwei da diese Woche. Weil sich so viele wegbewerben, sind einzelne Stellen nicht besetzt, dauernd müssen neue Personen eingearbeitet werden, zu viele der Stellen sind nur „zur Ausbildung“ eingerichtet und besetzt. Urlaub und Krankheit kommen hinzu und die Amtsleitung kann keine Abhilfe schaffen — „jetzt helfen wir uns selbst“, sagen die Mitarbeiter.
Begonnen hatte die „Selbsthilfe“ der Beschäftigten im März: Ab 1.3. bleiben mittwochs die Türen grundsätzlich geschlossen, steht an den Zimmern im Volkshaus auf einem selbstgeschriebenen Zettel, nur nach Voranmeldung gibt es Termine. Das gilt aber nur für die Zimmer, die nicht ganz geschlossen sind: Zimmer 126 (Gröpelingen von „Klu.. bis Ma...“) ist geschlossen wegen Krankheit, Zimmer 128 geschlossen wegen Krankheit (die Telefone klingeln, niemand nimmt ab, weil man die Anrufe bei dieser Anlage nicht umstellen kann). Zimmer 213 ist „wegen Personalmangel geschlossen“, also auf unabsehbare Zeit, Zimmer 201 („Kro bis Lind“) „wegen Personalmangel geschlossen“, Zimmer 224 „wegen Personalmangel geschlossen“...
Die Abschnittsleiterin Riesenberg, die in der vergangenen Woche selbst mitgeholfen hatte, die abwesenden und kranken KollegInnen zu vertreten, war gestern dann auch krank gemeldet. Von ihr lag nur ein Vermerk vor, der die „Notstandserklärung“ begründete. In den kommenden Wochen wird es eher noch schlechter, erklärt sie, „unser Arbeitgeber kennt diese Situation. Trotzdem kommt er uns gegenüber nicht seinen Fürsorgepflichten nach.“
Seit vergangenem Freitag hängt ein anderer Zettel da: „... können wir nur noch einen Notdienst für dringende Notfälle anbieten. Bitte überlegen Sie, ob Ihr Anliegen tatsächlich ein Notfall ist“, wird den Sozialhilfeempfängern mitgeteilt. Wer sich nicht als Notfall einstuft, solle bitte sein Anliegen schriftlich vortragen. Der Tip ist ein Witz: als wäre nicht die gesamte Sozialhilfe ein Notfall! Insbesondere im Stadteil Gröpelingen kommen auch viele Sozialhilfeempfänger mit den Formularen ins Sozialamt und lassen sich beim Ausfüllen helfen.
Die allgemeine Notstandserklärung sei mit ihm zwar nicht abgestimmt, erklärte Sozialamtsleiter Hans Leppin, würde aber seine Billigung finden. Genauso hatte die eigenmächtige Erklärung aus dem März, daß mittwochs kein offener Sprechtag mehr sei, nachträglich seine Billigung gefunden. Die konkrete Notstandserklärung, nach der jeder elfte Sozialhilfeempfänger auch um montags und donnerstags um zehn Uhr vor verschlossener Tür stehen soll, sei „ein wilder Zettel“, findet Leppin.
Er weiß, daß das Personal knapp ist und der Urlaubsplan nur funktioniert, wenn keine krank wird. Und Leppin weiß auch, warum die Sachbearbeiterinnen krank werden: „Dieser Dienst hat in der Tat höhere Verschleißerscheinungen.“
Was würde der Sozialamtsleiter den Sozialhilfeempfängern aus Gröpelingen raten angesichts der Lage? „Ich würde sie um Geduld bitten“, sagte er. K.W.
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