: USA erwägen Schutzzone für Südirak
Mitten im Wahlkampf erwägt die Bush-Administration in Absprache mit den Alliierten einen Militäreinsatz im Schiitengebiet/ Militärische Dreiteilung des Landes/ Angst vor dem Zerfall ■ Aus Houston Andrea Böhm
In schönster Harmonie und mit Shakehands hat sich das Team der UN- Inspektoren am Dienstag aus Bagdad verabschiedet. Man habe gesehen, was man sehen wollte und sei von niemandem behindert worden, erklärte der Leiter des Teams Nikita Smidovich. Die geplante Inspektion eines irakischen Ministeriums war kurzerhand abgeblasen worden. Die Regierung in Bagdad hatte angekündigt, keine weiteren Inspektionen in den eigenen Ministerien zu erlauben. In Reaktion darauf drohte die USA mit französischer und britischer Rückendeckung militärische Schläge an.
Kurz zuvor hatte US-Präsident George Bush sichtlich empört auf einen Artikel der New York Times vom Sonntag reagiert, in dem wie immer gut unterrichtete Regierungskreise mit den Worten zitiert werden: Die USA würden „eine Konfrontation inszenieren“, um sich den Vorwand für einen Militäreinsatz zu verschaffen, „und dem Präsidenten zur Wiederwahl zu verhelfen“. Das Team der UN-Inspektoren hat nun deutlich gemacht, daß es für irgendwelche Rollen in diesem Szenario nicht zur Verfügung steht.
Doch der avisierte Militäreinsatz könnte nun im Süden erfolgen, wo Saddam Hussein seit der Niederschlagung des Aufstandes im Frühjahr 1991 militärisch gegen die schiitische Bevölkerung vorgeht. Die irakische Luftwaffe fliegt Angriffe gegen schiitische Dörfer, die Einwohner sollen offenbar gezwungen werden, in Regionen umzusiedeln, die sich unter Kontrolle der Armee befinden. All dies steht im krassen Widerspruch zu Resolution 688 des UN-Sicherheitsrates, die ein Ende jeglicher Repression gegen die eigene Bevölkerung fordert.
In Absprache mit den Alliierten zieht Washington nun die Einrichtung einer Sicherheitszone in Erwägung. Diese soll unterhalb des 32. Breitengrads verlaufen und die größten Städte, Najaf, Karbala, Amara, Basra und Nasirya einschließen. Alliierte Luftstreitkräfte bekämen dann Befehl, jedes irakische Flugzeug über der Sicherheitszone abzuschießen. Bush habe darauf gehofft, einen entsprechenden Interventionsplan noch während des Parteitags der Republikaner in Houston zu verkünden, hieß es am Montag in der Presse. Doch Meinungsverschiedenheiten unter den Alliierten hätten diesen Zeitplan vereitelt.
Eine entsprechende Schutzzone existiert seit dem Frühjahr 1991 bereits im Norden des Landes zum Schutz der kurdischen Bevölkerung. Deren Aufstand gegen Saddam Hussein — von der Bush-Administration verbal unterstützt — war von irakischen Militärs ebenso brutal niedergeschlagen worden wie der Aufstand der Schiiten im Süden. Die Alliierten griffen nicht ein, Washington beließ es bei einer Ermahnung an Bagdad, kein Giftgas zu benutzen. Die Fernsehbilder kurdischer Flüchtlinge gingen damals um die Welt und schufen soviel öffentliche Empörung, daß die Alliierten sich gezwungen sahen, etwas zu unternehmen. Vom Schicksal der Schiiten, die in die Sumpfgebiete im Süden geflohen waren, nahm niemand Notiz.
Mit einer Sicherheitszone im Norden und einer weiteren im Süden wäre der Irak, was die militärische Kontrolle betrifft, dreigeteilt. An einer endgültigen Aufteilung in autonome Regionen ist man in Washington allerdings überhaupt nicht interessiert. Die Angst vor einer Zersplittung sei so groß, kritisierten letztes Jahr demokratische Mitglieder des außenpolitischen Ausschusses im Senat, daß die Bush-Administration Augen und Ohren verschloß, als während des kurdisch-schiitischen Aufstands irakische Militärs Putschbereitschaft signalisierten. Ein militärisch geschlagener Diktator, der das Land zusammenhält, war Washington immer lieber, als ein autonomer Norden, in dem Kurden plötzlich die Kontrolle über wichtige Ölvorkommen haben, und ein autonomer schiitischer Süden, der die Position des Iran stärken würde.
Über diese Bedenken setzt man sich nun mitten im Wahlkampf ein Stück hinweg — ganz offensichtlich in dem Glauben, daß sich die weitere Entwicklung im Irak unter alliierter, und vor allem unter US-amerikanischer Kontrolle vollzieht.
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