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Pflegen und Umbringen

■ Die KX-Galerie auf Kampnagel zeigt Fotoarbeiten von Doris Frohnapfel und Andrea van der Straeten

auf Kampnagel zeigt Fotoarbeiten von

Doris Frohnapfel und Andrea van der Straeten

Leider ein wenig im Schatten von Movimientos 92 zeigt die KX- Galerie auf Kampnagel zur Zeit eine Ausstellung mit Fotoarbeiten von Doris Frohnapfel und Andrea van der Straeten. Unter dem Titel Die rote Perücke konfrontieren elf Fotoinstallationen von Doris Frohnapfel die Besucher mit grob aufgerasterten Porträts von Ermordeten, wie man sie aus Sensationsberichten der Printmedien kennt. Die voyeuristische Absicht wird mit den plakatgroßen Fotos noch auf die Spitze getrieben. Doch gerade durch die Übergröße schützen sie die Opfer und scheinen den Betrachter erschlagen zu wollen.

Zu den Porträts gehören je zwei kleine Bildtafeln, die Aufnahmen von „Tatwaffen“ und anderen „kriminologischen“ Indizien zeigen. Provisorisch unter den Porträts der Toten aufgestellt, werden damit fragmentarisch die Geschichten angedeutet, die so zu einem Diskurs über Einsamkeit, Gewalt, sexuelle Unterdrückung und Tod werden.

Nach diesen Eindrücken wirken die Arbeiten von Andrea van der Straeten zunächst kühl und emotionslos. Die Fotografien einzelner Objekte sind auf farbigem Fotopapier abgezogen. Das verleiht sogar den abgebildeten Motiven - Fischköpfe, Eigenheime und mutierte Kürbisse - die Glätte von Werbefotos, aber auch die Unschuld von Kinderspielzeug, eine Ambivalenz, die die Künstlerin beabsichtigt.

Accidental Artists - „Zufällige Künstler“ - heißt ein früher Zyklus ihrer Fotoarbeiten, in dem natürliche Formen mit menschlichen Eingriffen konfrontiert werden. The Birdfeeder ist eine von vier Tafeln, in der es verschlüsselt um das Verhältnis von Kunst und Markt geht. Herumfliegende Federn werden mit den Börsenkursen kombiniert. Dazu ein grabender Hund und das amerikanische Modell eines „Birdfeeders“, ein Vogelhäuschens, das mehr eine Futtermaschine ist. „Das Spektrum dieser Arbeit liegt zwischen hegen und pflegen und umbringen,“ meint die Künstlerin.

Innocent Bystanders - „Unschuldige Dritte“ - sieht zunächst ganz harmlos aus: Die Aufnahme einer antiken Vestalin wird eingerahmt von einer Molekularstruktur und einer Tomate, die seltsam deformiert aussieht. Vielleicht erkennt

1das irritierte Publikum, daß es sich bei der Molekularstruktur um einen Ausschnitt aus der DNS handelt, wobei die Entdeckung vom Aufbau ihrer Struktur vor fast 40 Jahren gleichbedeutend mit der Entdeckung von ihrer Manipulierbarkeit ist. Die Vestalinnen, Hüterinnen des Vesta-Kultes, der eine weibliche Schöpfung ohne männliches Zutun vertrat, sind Zuschauerinnen aus der Vergangenheit. „Als ich die Vestalinnen auf dem Forum Romanum fotografierte, kamen sie mir, aufgrund ihrer Ähnlichkeit, wie Klone vor,“ sagt die Künstlerin. Dieser Bildzyklus stelle die Frage, ob es „unbeteiligte Dritte überhaupt gibt“. Julia Mummenhoff

Kampnagel KX, bis 5.9.

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