: Der Weg zum „Erfolg“
■ Seitz' Feuchtwanger-Verfilmung in arte und ARD
„Erfolg“ — hinter diesem Titel verbirgt sich ein 800 Seiten dicker Roman über München und das Land Bayern in den Jahren 1921 bis 1924, den ein Münchner Jude namens Lion Feuchtwanger geschrieben hat. Obwohl sich eine Filmbearbeitung des Stoffes geradezu aufdrängt, wurde sie erst 60 Jahre nach Erscheinen des Buches (1930) realisiert. Daß es noch weitere zwei Jahre dauerte, bis der Streifen in diesem Monat einem verkabelten Publikum im Kulturkanal arte und erst im Oktober in der ARD allen Gebührenzahlern präsentiert wird, liegt am Geld. Der Bayerische Rundfunk — Koproduzent des über 13 Millionen Mark teuren Dreiteilers — will die bei Erstausstrahlung zugesicherte Geldprämie von arte einkassieren.
Am Geld lag's auch, daß die Verfilmung so lange auf sich warten ließ. Interessenten gab's genug: Bernhard Wicki, Volker Schlöndorff, Hans W. Geißendörfer oder Helmut Dietl. Franz Seitz war der erfolgreichste von allen, denn er schaffte es als einziger, Mittel beim BR lockerzumachen und zeichnet nun als Regisseur, Drehbuchautor und Koproduzent verantwortlich.
Die Unbeliebtheit des Romans bei gewissen Stellen reicht bis in sein Erscheinungsjahr zurück. Die bayerische Presse bezeichnete ihn als „Schmähschrift“ (Bayerische Staatszeitung), die „vom ersten bis zum letzten Wort hemmungsloser Haß gegen Bayern“ Münchner Neueste Nachrichten) sei. Der Völkische Beobachter schrieb 1931: „Nach dieser Leistung bleibt dem Löb Feuchtwanger wohl nur noch zu bescheinigen, daß er sich einen zukünftigen Emigrantenpaß reichlich verdient hat.“
Feuchtwanger emigrierte 1933 nach Südfrankreich. Im Mai 1940 wurde er von den Franzosen ins Konzentrationslager Les Milles gebracht. Mit Hilfe seiner Frau Marta Feuchtwanger konnte er nach New York flüchten. Bis zu seinem Tode im Jahre 1958 lebte er in Pacific Palisades bei Los Angeles. Er folgte keiner Einladung nach Europa, da ihm die amerikanische Staatsbürgerschaft aufgrund seines kommunistenfreundlichen Buches „Moskau 1937“ verweigert wurde und somit seine Rückkehr in die USA nicht gesichert war. Umso tragischer, daß der Aufbau-Verlag 1950 eine Neuauflage des Romans „Erfolg“ nur unter der Bedingung druckte, daß 11 Stellen gestrichen wurden, in denen sich der Autor mißfällig über den real existierenden Kommunismus äußerte. Diese Passagen fehlen übrigens noch heute in der Fischer-Taschenbuchausgabe. Der Aufbau- Verlag druckt seit 1989 wieder die Erstfassung.
Wie sieht nun Seitz' filmische Bearbeitung des Buches aus, das heute als das erste Werk gilt, das sich mit dem aufkommenden Faschismus befaßt? Im Drehbuch (als Fischer-Taschenbuch erschienen) beteuerte Seitz, daß es schön wäre, wenn man über seinen Film sagen würde: „It's nearly like Feuchtwanger.“ In England bedeutete dieser Ausspruch in den 20er und 30er Jahren nämlich das höchste Lob, daß einem Schriftsteller zuteil werden konnte.
Seitz wird seinem eigenen Anspruch nicht gerecht, da er sich für einen Unterhaltungsfilm der gehobenen Klasse und nicht für eine werkgetreue Literaturverfilmung entschied. Er tauchte die Geschichte des der Regierung unbequem und deshalb zu Unrecht ins Zuchthaus gesteckten Münchner Museumsdirektors Martin Krüger in ästhetisierte Bilder. Er gab der Liebesgeschichte zwischen der Graphologin Johanna Krain und dem Schweizer Schriftsteller Jacques Tüverlin Vorrang vor der Politik. Er verpflichtete beliebte Münchner Schauspieler und perfektionierte bis ins Detail. Die Figur Johanna Krain, die durch gesellschaftliche Beziehungen versucht, ihren Freund und späteren Mann Krüger aus dem Gefängnis zu holen, wird zur makellosen Heldin stilisiert. Der Film enthält aber in den Details auch Schmankerl nicht nur für Feuchtwanger-Kenner: zum Beispiel eine Parodie auf Franz Josef Strauß und eine raffinierte Montagetechnik, bei der vor allem die harten Schnitte auffallen.
Die Kritiker der zweistündigen Kinofassung von „Erfolg“, die auf der Berlinale 1991 vorgestellt wurde, hätten lieber eine werkgetreue Umsetzung gesehen. Die verkürzte Version machte dem Titel keine Ehre. Der Streifen lief in nur 17 Städten und wurde nach spätestens vier Wochen wieder abgesetzt. Außerdem wurde Franz Seitz vorgeworfen, es versäumt zu haben, die sich anbietenden Parallelen zwischen den von Feuchtwanger beschriebenen Verflechtungen von Regierung, Justiz und Wirtschaft der 20er Jahre und den heutigen Verbindungen nicht aufgegriffen zu haben. Herbert Riehl-Heyse sprach gar von einer „betulichen und etwas altmodischen Inszenierung“.
Die 1986 auf die Bühne des Münchner Residenztheaters gebrachte dramatische Bearbeitung des Bayern-Romans wurde übrigens als politisch nicht scharf genug empfunden. Allerdings nicht vom damaligen Kultusminister Hans Maier, der die Revue vorsichtshalber einen Tag vor der Uraufführung in einem Leserbrief an den Münchner Merkur der politischen Manipulation bezichtigte. Jutta Sandmaier
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen