: Verkehr überfährt Klimapolitik
■ Heidelberger IFEU-Institut errechnet für Töpfer riesige Zuwachszahlen/ Der Minister will höhere Benzinpreise
Berlin (taz/AP) — Die Verkehrsentwicklung in der Bundesrepublik wird die klimapolitischen Ziele der Bundesregierung überfahren. Das ist das Ergebnis einer Studie des IFEU-Instituts, die Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) gestern der Presse vorstellen mußte. Die Horrorzahlen im einzelnen: der Autoverkehr wird im Westen um ein Fünftel steigen, der Güterverkehr sich annähernd verdoppeln. Im Osten soll sich der Autoverkehr verdoppeln und der Güterverkehr verfünffachen.
Noch schlimmer sieht es im Flugverkehr aus. Die billige mineralölsteuerfreie Fliegerei steigt bis 2005 im Westen um 138 Prozent, beim Güterverkehr verdreifacht sie sich sogar. Im Osten soll sich der private Flugverkehr verzehnfachen und der Güterverkehr per Flugzeug vervierzigfachen.
Die verkehrsbedingten Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid würden bei dieser rasanten Entwicklung bis 2005 um rund 40 Prozent steigen, technische Verbesserungen schon eingerechnet. Mit allem in Deutschland verursachten Flugverkehr liegt die Steigerungsrate sogar bei 50 Prozent.
Die Heidelberger Gutachter kommen zu dem Schluß, im Verkehrsbereich mangele es nicht an Möglichkeiten und Maßnahmen zur Schadstoffverminderung, zur Begrenzung des Verkehrswachstums und zur Minderung der Verkehrsleistung. Dabei könnten weit mehr Schadstoffe vermieden werden als in dem Gutachten berechnet. „Jedoch fehlt derzeit der gemeinsame Wille der am Verkehrsgeschehen Beteiligten und der dafür Verantwortlichen, auch den Verkehrsbereich in die Pflicht zu einer nachhaltigen Umweltverträglichkeit zu nehmen.“
Töpfer versuchte dem vernichtenden Urteil der Heidelberger Wissenschaftler gestern wenigstens eine Handlungsempfehlung abzugewinnen. Das von der Bundesregierung gesetzte Ziel einer 25- bis 30prozentigen Reduzierung des Klimagases CO2 könne durch diese Entwicklung gefährdet werden, erkannte der Minister.
Er verlangte deshalb, daß der Verkehr drastisch teurer werden muß. Eine Mineralölsteuererhöhung um mindestens 75 Pfennig und eine Senkung des Benzinverbrauchs auf höchstens sechs Liter sei nötig. Auch die Klimakommission des Bundestags forderte einen niedrigeren Flottenverbrauch und höhere Benzinpreise. ten
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen