: Kleine Bälle, große Karos
Banker üben putten / Impressionen von einem ■ Golf-Schnupperkurs
„Die Knie gebeugt, Oberkörper nach vorn und die Arme gleichmäßig durchschwingen.“ Erste Bewegungsanweisungen des smarten Trainers. Für den Ungeübten entlarvt diese Bewegungsanweisung nie geahnte Schwächen der Rückenmuskulatur. Und wozu diese Verrenkungen? Um einen etwa 46 Gramm schweren Hartgummiball mit Hilfe eines metallischen Hilfsmittels in ein Loch von exakt 10,8 Zentimeter Durchmesserzu befördern. Vom Golfsport ist die Rede, jener elitären Form des Spazierengehens in großkarierten Hosen, bei der man in einem Ledersack diverse „Eisen“ und „Hölzer“ im Schlepptau führt.
Einem Versicherungsvertreter gleich doziert der Golftrainer weiter, über die optimale Form des „puttens“. Das ist die Kunst,die Kugel auf dem „Grün“ einzulochen, dem auf Teppichhöhe rasierten Rasen im Umfeld des Loches, des Objektes der Begierde. Die sehr gemischte Übungsgruppe — einige Herren fluchten kaum hörbar über ihr Banker-Outfit, was sich als recht unpassend enttarnte — durfte sich dann selbst ans Werk machen und die ersten Bälle schlagen. Und - oh Wunder - das erste Erfolgserlebnis stellte sich ein. „Ist doch so schwer gar nicht“, war aus der Gruppe zu hören.
Dann ging es aber erst an die richtige Golf-Kunst. Nämlich den Ball aus der wilden Wiese über 30 bis 40 Meter in Richtung Loch zu treiben. Da war die Euphorie der ersten Erfolge schnell verflogen. Unzählige Grassoden wurden aus der Verankerung gerissen, der Streuwinkel der wenigen getroffenen Bälle war gewaltig.
Dessenungeachtet ging es weiter zum Abschlagtraining. Also jener Schlagart, die den Ball über Entfernungen bis zu 200 Meter weit treiben soll. Nun zeigten sich die wah-
1ren Grenzen des Golf-Debütanten. Zufallstreffer verhinderten den totalen Frust; wenn das Hartgummibällchen aber erst einmal über die 65 Meter-Marke hinausschoß, weckte das doch Lust auf mehr.
Nur ist dieses „mehr“ für Otto Normalverbraucher kaum zu realisieren. Auch wenn Golf inzwischen das Image des „High Society“-
1Sports etwas abgelegt hat: Für jedermann erschwinglich ist er deshalb noch lange nicht. Ein paar Tausender pro Jahr gehen eben doch dafür drauf, neben der Ehefrau eines Hamburger Senators seinen Abschlag zu trainieren. Trotz einiger unerwünschter Eindringlinge werden somit am Ende die eher Reichen als Schönen doch unter
1sich bleiben. Nach einem kurzen Einblick in die Szenerie des Golfsports nämlich hat der in „normalen“ Sphären denkende und lebende Mensch nicht unbedingt das Verlangen, zu einem Spaziergänger zu mutieren, der in großkarierten Hosen einen Sack aus edlem Leder hinter sich her zieht. Andreas Hoffmann
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