■ Sensation in Italien: „Mafia-Mord durch Mafia verübt!“: 24 Auftraggeber – noch kein Täter
Rom (taz) – Der staatliche Rundfunk RAI konnte gar nicht mehr aufhören: Volle sechsmal brachte das 1., siebenmal das 2. Programm die Nachricht, und im Fernsehen gab es neben vielen Filmbildern auch noch eine Sondersendung dazu: Eine „entscheidende Wende“ habe es in den Ermittlungen gegeben, „nun sehe man klar“, den Ermittlungsbehörden sei „ein wohl vernichtender Schlag geglückt“. Die seit Mitte des Jahres arbeitende Antimafia- Polizei DIA, eine Art italienisches FBI, habe sich „voll bewährt“.
Was haben die wackeren Ermittler herausgefunden? Sensationelles: der Mafia-Mord am einstigen Verbindungsglied zwischen sizilianischer „Cosa nostra“ und römischer Regierungszentrale, dem einstigen Bürgermeister Palermos und späteren italienischen und dann Europa-Abgeordneten, Salvo Lima, im Februar dieses Jahres war von der Mafia verübt.
Dunnerknispel. Wer – mit Verlaub – hätte ihn denn sonst umbringen sollen? Mitten in Palermos Nobelvorort Modello, im Gebiet eines der meistgefürchteten Clans, wurde der Abgeordnete niedergemäht. Und Zweifel an der Täterschaft hatte niemand, wirklich niemand. Auch daß, wie nun ebenso sensationell verkündet wird, die „Cupola“, das oberste Leitungsorgan der Mafia, die Exekution angeordnet habe, hatte niemand angezweifelt. Schließlich muß sogar die Ermordung eines Polizisten, wegen der dann folgenden massiven Ermittlungen, von der „Kuppel“ abgesegnet sein. Schon dem Mord an einem Lokalpolitiker gehen, wie der Aussteiger Antonino Calderone in einem autobiographischen Buch beschreibt, wochenlange Diskussionen in der „Cupola“ voraus.
Auch das Motiv wollen die Ermittler, mit Hilfe neuer Aussteiger aus den Clans, herausgefunden haben: Der Mann sei nicht mehr in der Lage gewesen, den Mafiosi beim Durchschlüpfen durch Gerichtsverfahren und beim Vermeiden abträglicher Gesetze behilflich zu sein. Auch keine Neuigkeit: Limas Vormann in der christdemokratischen Partei war Giulio Andreotti, und der führte fast drei Jahre die letzte Regierung, die sich wegen immer ungenierterer Mafia-Attentate zu einigen neuen Maßnahmen veranlaßt sah, die den „Uomini d'onore“ der Mafia gar nicht paßten. Insofern sahen denn auch alle Mafiologen und insbesondere der Regierungschef selbst die Ermordung Limas vor allem als „Warnung“ an Andreotti, den Bogen nicht zu überziehen. Auch das haben nun die Ermittler neu herausgefunden. Eine Glanzleistung. Nun hofft der Zeitgenosse natürlich, der „entscheidende“, ja gar „vernichtende Schlag“ befördere diesen oder jenen Mafioso hinter schwedische Gardinen. Und so klingt es zunächst auch: 24 Haftbefehle habe man ausgestellt, und das ist doch schon allerhand. Doch leider leider, vollstrecken konnte man ganz und gar nicht: Die einen saßen schon, teils zu Lebenslänglich verurteilt. Und die anderen, gut zwei Drittel der Inkriminierten, werden ohnehin seit Jahren, einige gar seit Jahrzehnten vergeblich gesucht, etwa der mutmaßliche Chef der „Cupola“, Salvatore Riina. Der soll sich zwar nach Zeugenaussagen nie von Sizilien fortgerührt haben und mit Eskorte und gepanzertem Auto fröhlich durch Palermo kutschieren, aber erwischen kann man ihn nicht. Und so ganz nebenbei mußten die Ermittler eingestehen; zwar wüßten sie nun, wer die Auftraggeber seien. Doch die Täter, die beiden lächerlich dilettantischen Killer (die zuerst mächtig danebenschossen und dann den davoneilenden 62jährigen beinahe nicht mehr erwischt hätten), habe man noch nicht ausmachen können. Wahrlich: ein fast tödlicher Schlag. Werner Raith
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