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„Rostock trägt keine Verantwortung“

■ Landtagsausschuß untersuchte die Rolle der Rostocker Stadtspitze während der Krawalle von Lichtenhagen

Schwerin (taz) — Die Rolle der Rostocker KommunalpolitikerInnen bei den Krawallen vor der Zentralen Anlaufstelle für AsylbewerberInnen (ZASt) im Hochhausstadtteil Lichtenhagen Ende August beschäftigten gestern den parlamentarischen Untersuchungsausschuß im Schweriner Landttag. Doch zwei der wichtigsten Zeugen, der Rostocker Innensenator Peter Magdanz (SPD) und der Ausländerbeauftragte der Stadt, Wolfgang Richter, hatten gar keine Zeit. Der eine mußte zur Beerdigung seines Großvaters, der andere zu einem Fernsehsender nach Köln. So entschwanden die Herren unbefragt. Dem Ausschuß sowie der interessierten Öffentlichkeit blieben fern der Oberbürgermeister, Manfred Kilimann (SPD) als politisch Verantwortlicher, und der Sozialdezernent der Stadt, Wolfgang Zöllick (CDU), sowie der Leiter des Ordnungsamts. Kilimann und Zöllick waren mit nur einem Anliegen gekommen: deutlich zu machen, daß die Stadt Rostock weder für die Unterbringung noch die Betreuung der AsylbewerberInnen in und um die ZASt zuständig war und keine Verantwortung für die menschenunwürdigen Zustände in Lichtenhagen trage. Zuständig sei die Stadt laut Asylverfahrensgesetz nur für die Registrierung, die Entgegennahme der Asylanträge und die erste Anhörung gewesen. Tatsächlich, das wurde durch die Befragungen Kilimanns und Zöllicks deutlich, herrschte in der Rostocker ZASt aber ein Zuständigkeits- Wirrwarr. Dieser wiederum war allen Beteiligten nicht unlieb und besteht bis heute – nunmehr in der ZASt in Hinrichshagen.

Angestellte des Innenministeriums nahmen Asylanträge entgegen und führten erste Anhörungen durch, obwohl hierfür die Stadt Rostock eigenes Personal hätte stellen müssen. Als das Landespersonal schließlich überlastet war, forderte das Innenministerium den Sozialdezernenten der Hansestadt auf, zusätzliche Leute einzustellen. Dies verzögerte sich, was wiederum die Weiterverteilung der Asylsuchenden hinauszögerte. Ab Frühsommer war die ZASt überfüllt. AsylbewerberInnen lebten auf dem Rasen. Das Rostocker Gesundheitsamt kritisierte bereits im Juni die hygienischen Zustände. Der Innensenator Magdanz schaffte für einige Tage Platz in Notquartieren.

Doch bald darauf sah es an der ZASt wieder so aus wie vorher. Warum er nicht wenigstens Chemietoiletten habe aufstellen lassen, wurde der Oberbürgermeister gefragt? Kilimanns Antwort: „Das hätte bedeutet, daß wir einen Zustand legalisieren, den wir nicht haben wollten.“ Die Stadtspitze ihrerseits gab die Suche nach weiteren Quartieren auf, als das Innenministerium Ende Juni den Umzug der ZASt nach Hinrichshagen für den 1. September zusicherte. In den folgenden Monaten ließ man den Dingen ihren Lauf.

Die sozialdemokratischen Ausschußmitglieder stützten mit ihren mehr als verhaltenen Fragen an ihren Parteifreund Kilimann dessen Argumentation. Auch sie sehen die politische Verantwortung allein beim Innenminister Lothar Kupfer (CDU). Es sei „unerträglich“, schimpfte der wegen des Verhaltens der Rostocker Stadtspitze von seinem Amt als SPD- Fraktionssprecher zurückgetretene Knut Degener, „wie die sich hier die Bälle zuschieben“. Auf die Frage eines CDU-Ausschußmitglieds, ob die Stadt die Asylsuchenden nicht wenigstens als Obdachlose hätte behandeln und unterbringen können, antwortete Sozialsenator Zöllick in Übereinstimmung mit Kilimann: „Die Asylbewerber waren weder als Obdachlose gemeldet, noch hatten sie sich selber bei uns gemeldet.“

Nach Zöllicks Aussage, der Kilimann während dessen Urlaubs vertrat, trug ab Montag, dem 24.8.92, wieder der Oberbürgermeister die Verantwortung für die Maßnahmen der Stadt während der Krawalle. Kilimann war wegen der Krawalle Sonntag nacht zurückgekehrt, verließ die Stadt aber noch einmal von Montag nachmittag bis Dienstag, war also in der Nacht, in der die ZASt brannte, nicht vor Ort. Innenministerium, Polizei und Stadtspitze hätten, so Zöllick, die Sicherung der ZASt und der nebenan liegenden Wohnblocks vietnamesischer Familien für ausreichend gehalten. An eine Evakuierung sei nicht gedacht worden. Daß die Koordination zwischen Stadt und Ministerium nicht funktionierte, zeigte sich, als auf Weisung des Innenministers die ZASt am Montag gegen 17 Uhr dennoch geräumt wurde. Dies, so Zöllick, habe er in seiner Funktion als Bürgermeister und Kilimann- Stellvertreter erst aus dem Rundfunk erfahren. „Die Rechten“ hätten die Räumung der ZASt „wie einen Sieg gefeiert“. Für die VietnamesInnen habe er aber auch zu diesem Zeitpunkt keine so große Gefahr gesehen, daß man sie habe evakuieren müssen. Erst nachdem die Menschen in Lebensgefahr gewesen waren und vor den Flammen hatten fliehen müssen, wurden sie am nächsten Tag „heimlich“ (Zöllick) umquartiert. Bettina Markmeyer

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