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Nichts Sicheres, nur Sorgen

Beim Deutschlandcup offenbart Nationaltrainer Ivan Hlinka seine Sorgen um die Zukunft des tschechischen und slowakischen Eishockeys  ■ Aus Stuttgart Peter Unfried

Ivan Hlinka hat Sorgen. Deshalb, nur deshalb guckt er auch immer so finster unter seinen schwarzen Augenbrauen vor. Und nicht etwa weil er ein ungehobelter Genosse vom alten Schlag wäre wie sein russischer Kollege Boris Michailov. Im Gegenteil, er ist ein sympathischer Mann, der präzise Auskünfte gibt, so gut er es kann. Nur kann er es eben derzeit nicht besonders gut.

„Was wir sicher wissen“, hat der Trainer der tschechoslowakischen Eishockey-Nationalmannschaft am Wochenende in Stuttgart gesagt, „ist, daß Tschechen und Slowaken bei der WM in Deutschland gemeinsam spielen werden.“ Und dann mit den Schultern gezuckt und hinzugefügt: „Sonst wissen wir nichts.“

Sagen wir: nicht viel. Was man weiß, ist, daß Tschechen und Slowaken nicht mehr miteinander wollen oder können. Das heißt, so ganz stimmt das auf das Eishockey bezogen auch wieder nicht. Als sich jüngst die vierzehn Vereine der tschechoslowakischen ersten Liga trafen, stimmten alle zehn tschechischen Vereine für eine eigene Liga, während die vier slowakischen weiterhin in einer gemeinsamen Klasse streiten wollten. Die Slowaken glaubten also, in Umkehrung der realexistierenden Konstellation, ohne die Tschechen nicht auskommen zu können, während die meinen, auf ihre Brüder aus dem Osten keinen Wert mehr legen zu müssen.

Was naheliegt: Eishockey war auch zu großen CSSR-Zeiten, als der Center Ivan Hlinka dreimal Weltmeister wurde, ein vornehmlich tschechisches Spiel und ist es bis heute geblieben. In dem Team, mit dem Hlinka nach Stuttgart kam, stehen gerade mal drei Slowaken, nämlich Varholik, Horvath und Janos.

Wenn sich also im Sommer die Wege trennen, haben die Slowaken das schwierigere Stück vor sich. Mit den vier Erstligaclubs und einigen zweitklassigen eine Achterstaffel formieren, mit der Nationalmannschaft in der C-Gruppe anfangen. Die Zukunft, schätzt Hlinka, „wird sicher nicht einfach für das slowakische Eishockey“. Für das tschechische zwar auch nicht, aber die dürfen wenigstens in der A-Gruppe weiterskaten.

Nun gibt es zwar nach wie vor Talente, und sogar solche, die man noch teilweise mit Staatsgeld und Aufwand der guten, alten Zeiten aufgezogen hat. Aber selbst im Jugendbereich werden die besten von den nordamerikanischen Scouts in Colleges und Farmteams gelockt. Und weil die rechtliche Situation umstritten ist, bleibt den Vereinen oft nicht einmal ein finanzieller Trost. Irgendwann, so hofft nun allerdings Ivan Hlinka, der selbst einst bei den Vancouver Canucks angeheuert hatte, muß das ein Ende haben: „Ich glaube, daß der Markt dort mittlerweile ziemlich voll ist.“ Dafür ist der heimische aber auch reichlich leer.

Zwar arbeiten die Clubs weiterhin emsig im Nachwuchsbereich und umso bemühter, je dringender sie neue Spieler brauchen, um die Lücken aufzufüllen, aber „unbegrenzt gute Spieler haben wir auch nicht“, sagt Hlinka. Von denen, die der Coach nach Stuttgart mitbringen mußte, weil keine anderen mehr da waren, haben die wenigsten WM-Erfahrung, und es ist sehr fraglich, ob sie welche bekommen. „Für den Iswestija-Cup“ im Dezember in Moskau, schätzt Hlinka, „können wir auch die skandinavischen Spieler holen“, also die Tschechen, die in Finnland und Schweden ihr Geld verdienen, und das sind eine ganze Menge. Und im April bei der WM in Dortmund und München, wird man dann auf jeden zurückgreifen, der gut und gerade zu haben ist.

„Ich hoffe“, sagt der 43jährige, „daß wir mit einer guten Mannschaft kommen werden.“ Das wird er ziemlich sicher, wie es überhaupt wahrscheinlich ist, daß das tschechische Team noch einige Jahre zu den guten gehören wird. Die Frage ist nur, was aus dem Eishockey in der Tschechei werden wird. Nächstes Jahr startet man jedenfalls mit zwölf Vereinen in die erste Saison. Die Trennung ist ausgemacht, nicht aber die Umstände, unter denen sie vor sich gehen soll. „Die Leute“, sagt der Tscheche Ivan Hlinka, „müssen das mit klarem Kopf tun, ohne Hektik“. Und um Himmelswillen „nicht wie in Jugoslawien“. Viermal hat er in dieser Saison bereits mit seinem Clubteam TJ Litvinov in slowakischen Stadien gespielt, jedesmal waren das „ganz normale Spiele“.

Überhaupt werde alles „ganz normal“. Und Tschechen und Slowaken auch in Zukunft Freunde sein. Sagt Ivan Hlinka. Doch wie er die Augenbrauen hochzieht, weiß er nur zu genau, daß auch das alles andere als sicher ist.

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