■ Umfrage: „Ne gute Demo!“
„Wunderbar“ sei die Demo gewesen, sagt Selma Zülfükar. Ihre Freundin Nazmiye Türel, fand sie, „hätte nie mit mehr als 80.000 Leuten gerechnet“. Nur daß „die Weizsäcker beworfen haben, fand' ich erschütternd“. Eier auf Kohl hätten die beiden Frauen „verstanden“: Aber Weizsäcker sei der Falsche, um an ihm die Scheinheiligkeit der Politiker zu demonstrieren, „die da mitdemonstriert haben“. „Vielleicht hat er nicht mehr für uns getan als die anderen“, meint Selma, „aber er hat mehr ausgesprochen.“
Eine Umfrage unter Kreuzberger TürkInnen ergibt, daß die Eier für den Bundespräsidenten auf die WerferInnen zurückfallen. Bis auf einen Gemüsehändler und zwei Mädchen finden alle die Demo gegen Ausländerhaß „gelungen“, „schön“ oder „wichtig“ und die Auseinandersetzungen während Weizsäckers Rede „schade“ oder „beschissen“.
Der Gemüsehändler meint, die Kundgebung sei doch „nur fürs Ausland inszeniert worden und nicht für die Ausländer, die hier leben“. Speziell für „die Asylanten wird doch auch jetzt nichts getan“. Die EierwerferInnen hätten diese Verlogenheit deutlich gemacht: „Das war richtig!“ Allerdings, „besser als nix“, findet auch der Gemüsehändler, sei so eine Demo schon. „Ach Quatsch“, meinen zwei etwa 15jährige Türkinnen, „das nützt gar nichts.“ Melik Silav: „Die hassen uns Ausländer doch so oder so!“ Und ein Zeichen zu setzen gegen die Rechten sei mißlungen, denn „die Demonstranten haben doch selbst randaliert“. Daß „die Krawalle die Kundgebung zerdeppert haben“, finden auch die Kynaks, die mit Kind und FreundInnen gen Lustgarten gezogen sind. „Am liebsten“, sagt Frau Kyanak, „hätte ich die Leute da vorne mit ihrem eigenen Zeug beschmiert.“ Yüksel Bahar, ein etwa 35jähriger, der mit seinen Kollegen dabei war, glaubt aber, die „paar Randalierer“ hätten der Demonstration insgesamt nichts anhaben können. „Völlig idiotisch“, schimpft eine Kurdin und taz-Leserin, Meral Cetiner, „wie die Medien berichtet haben: Steine, Krawall, Chaos! Ihr habt diesen Quatsch auch verbreitet. Dabei war die Demo toll – das war das Wichtigste!“ „Geärgert“ haben sich auch Connie Kücükciftci und Samira Tohmeh, „daß diese Eierwerfereien als ,Krawalle‘ bezeichnet werden“. In Rostock, das seien Krawalle gewesen, ein paar Eier und Farbbeutel „sind nicht dasselbe“. Aber die Polizei reagiere bei den EierwerferInnen „härter als bei den Rechten“. Als „Meinungsäußerung“ können sie die Reaktionen der WerferInnen verstehen, „denn daß die Politiker da sozusagen gegen sich selbst demonstrieren, ist doch eine Blamage. Sie sollten lieber etwas tun.“ Bettina Markmeyer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen