: Wo kein Kläger...
■ .. kein Richter: Asylbewerber blieben der Verhandlung fern
Richter Kliese ist genervt. Drei Verhandlungen waren für diesen Tag angesetzt, und keiner der geladenen Kläger ist erschienen. Die für 9, 11 und 14 Uhr geplanten Anhörungen von drei Asylbewerbern aus Rumänien, deren Anträge zuvor abgelehnt wurden, geraten zur Farce. „Der ganze Tag geht drauf für nichts!“, ärgert sich Kliese. Die einzigen Personen, die im Sitzungssaal des Verwaltungsgerichts anwesend sind, als der Richter den Raum zur zweiten Verhandlung um 11.15 Uhr betritt, sind der Dolmetscher und die Protokollführerin. Sichtlich gelangweilt nehmen die zwei BeisitzerInnen und die beiden ehrenamtlichen RichterInnen ihre Plätze neben dem Vorsitzenden ein, während dieser routinemäßig das Fehlen des Klägers und seines Anwalts konstatiert. Nach zwei Minuten sind die Formalitäten erledigt, und der Dolmetscher fragt, ob er sich jetzt verabschieden dürfe, er habe noch zu tun. Aber das geht nicht, denn noch besteht ja die Chance, daß der letzte Kläger um 14.00 Uhr tatsächlich erscheint. „Das hat es seit Jahren nicht mehr gegeben, daß ein ganzer Tag einfach ausfällt“, sagt Richter Kliese, „früher, bei den Polenverhandlungen, kam sowas ja häufiger vor“, aber mit dem Kommen der Rumänen habe er heute eigentlich gerechnet. Und er fügt hinzu: „Es ist schade, daß viele Asylbewerber diese letzte Chance nicht nutzen. Denn auch wenn sie vom Bundesamt in Zirndorf abgelehnt sind, gibt es immer noch die Möglichkeit, daß wir hier anders entscheiden.“
Doch wie groß sind die Chancen der Kläger wirklich? Beispiel Verhandlung zwei: Der Asylbewerber, der nicht erschienen war (Herr C.), ist Angehöriger der ungarischen Minderheit in Rumänien, war „aktiv am dortigen Demokratisierungsprozeß beteiligt“ und verlor nach eigenen Angaben deswegen seinen Arbeitsplatz in Rumänien. Eine Zeitlang wurde er auch von der Polizei festgehalten. Seit Oktober 91 ist er mit seiner Frau und seinen zwei Töchtern in der BRD. Das Bundesamt lehnte seinen Antrag auf Asyl ab. Rechtsanwalt Werner, der versucht hatte, seinen Mandanten C. auf den gestrigen Gerichtstermin aufmerksam zu machen, ihn allerdings nicht erreichte, schätzt die Lage realistisch ein: „Natürlich sind die Erfolgsaussichten der in Zirndorf abgelehnten Bewerber vor Gericht nicht sehr gut. Das ist aber nicht der Grund für das Fernbleiben. Die Menschen sind überfordert, leben über Monate in Erstunterkünften, das sind unmögliche Verhältnisse! Vorladungen werden meist nicht sehr ernst genommen.“ Hinzu kommt, daß viele AsybewerberInnen die Anwaltskosten nichr zahlen können und daher Angst vor dem Gerichtstermin haben. Zum Zeitpunkt der Verhandlung sind sie entweder wieder in ihrem Heimatland oder haben sich womöglich in ein anderes Bundesland abgesetzt, um hier erneut ihr Asylrecht einzuklagen. J.V.
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