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■ Der Zöllnerstreik blockiert Zigaretteneinfuhr in ItalienLungenzug aus Nachbars Fluppe

Rom (taz) – „Eigentlich“, sagt Tabaccaio Zarotti in Borgo Hermada, „sind meine Regale ja voll mit Zigaretten.“ Nur: „Die mag keiner. Die sind aus Italien selbst, und die rauchen die meisten nicht mal, wenn sie schon auf dem Schlauch stehen.“ Das könnte stimmen, jedenfalls bestätigen es viele Kollegen Zarottis: So wie derzeit hat sich noch nie erwiesen, wie widerlich den Südländern ihr eigenes Kraut ist.

Seit gut fünf Wochen streiken Italiens Zöllner, und da dies von Regierung und Bürgern in der Regel kaum wahrgenommen, allenfalls mal von einem verärgerten Touristen nach bummeliger Kontrolle wahrgenommen wird, haben sie sich auf das spezialisiert, was sich auch im Inland bald bemerkbar macht: Tabak und Tabakwaren. Mit nie gekannter Geduld filzen die Angehörigen der Guardia di finanza am Flughafen Fiumicino oder an der Grenze in Chiasso und am Brenner die Ankommenden, lassen sich notfalls alle sechs Koffer der US-Bürger und die Karrenladung der japanischen Reisegruppe Stück für Stück öffnen, zeigen kein Interesse für etwa mitgebrachte sündteure und darum auch schwer zollpflichtige elektronische Waren, heben jedoch kritisch die Augenbrauen, wenn da einer mehr als das erlaubte eine Päckchen Zigaretten mit sich führt; dafür werden gar Jacken und Hosentaschen gefilzt. Fündig werden sie fast allemal – jede dritte Kontrolle ergibt Überladungen an Zigaretten.

So ist der Tabakimport denn zum Stillstand gekommen, und die Italiener sind mit ihren Nerven fertig. Die Tabaccaien haben für diese Woche einen Streik durch Schließung ihrer Geschäfte ausgerufen – was allerdings großenteils lächerlich ist, denn sie haben ja keine verkaufsfähigen Zigaretten mehr auf Lager. Allerdings sind sie auch zuständig für die „Valori bollati“, die Steuer- und Stempelmarken für amtliche Dokumente, und mit einer Geschäftsschließung wäre auch die staatliche Bürokratie lahmgelegt. Bis das aber in den Geist der Bürger und vor allem der Administratoren durchdringt, wird es sicher dauern. Inzwischen helfen sich die Durchschnittsitaliener je nach Region und Temperament mit ihren altgewohnten Mitteln der Schlitzohrigkeit und des Austricksens. Die grenznahen Schweizer Orte werden geradezu heuschreckenartig von Tabakhungrigen überrannt, San Marino verzeichnet einen nie gekannten Ansturm auf die Handvoll Tabakläden, auf Sizilien bieten Reisebüros Kurztrips nach Malta an – 107.000 Lire pro Person, inklusive Übernachtung und zehn Packungen Zigaretten, umgerechnet ca. 120 DM. Wer da nicht mit will oder kann, muß sich mit den „Versteigerungen“ zufriedengeben, die schlaue Großhändler inzwischen etwa so wie das illegale Glücksspiel organisieren – bis zu 30.000 Lire (35 DM) kostete eine Packung M&S oder Marlboro Mitte der Woche. Raubüberfälle auf mutmaßliche Zigarettenbesitzer sind inzwischen in Neapel und Mailand, in Rom und in Bari schon fast an der Tagesordnung.

Doch auch da ist kaum mehr etwas zu holen: Die Vorräte auch der eifrigsten Hamsterer neigen sich dem Ende zu. Und so sind manche der 13 Millionen Raucher des Landes denn auch schon dazu übergegangen, Zigaretten stückweise zu entwenden (aus der Jackentasche des Nachbarn beispielsweise) – oder gar einzelne Züge. Prominentestes Opfer bisher: ausgerechnet der Präsident des Schwurgerichts von Syrakus, Osvaldo Bonsangue. Als der unvorsichtig rauchend die Straße zu seinem Büro entlangmarschierte, bekam er einen Stoß, ein junger Mann griff sich seinen Glimmstengel, inhalierte drei mächtige Lungenzüge und gab ihm die Kippe mit einer Geste der Solidarität zurück. Werner Raith

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