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Ist GenTech natürlich?

■ Möglichkeiten und Grenzen der Anwendung

Was bringt die Gen-Technologie? Heilmittel gegen AIDS und Krebs, Nahrung für alle und die ökologisch unbedenkliche Vernichtung von Müll durch Bakterien? Oder künstliche, nicht durchschaubare Nahrungsmittel, unbekannte Krankheiten, geklonte Menschen und die Zerstörung des Öko-Systems?

Zwei Gesetze regeln bislang Möglichkeiten und Grenzen der Gentechnologie: Das Gentechnikgesetz und das Embryonenschutzgesetz. Das Gentechnikgesetz soll, obwohl es erst ein Jahr alt ist, novelliert werden. Auch Bremen wird dazu Stellung beziehen. Grund genug, eine grundsätzliche Debatte über Chancen und Risiken der Gentechnologie zu führen, meinte Helmut Gottwald, beim Gesundheitssenator für Umweltmedizin und Seuchenverhütung zuständig, und lud zum Streitgespräch: Die Virologin Angelika Vallbracht von der Universität Bremen, den Biologen Wilfried Wackernagel von der Universität Oldenburg, Jutta Draub-Ketelaar vom Bremer Verein Sozialökologie, Jörn Bullerdiek vom Zentrum für Humangenetik in Bremen und Manuel Kiper von der Oldenburger Beratungsstelle für Technikfolgenabschätzung der Deutschen Angestelltengewerkschaft.

„Ich wende in allen meinen Arbeiten Gentechnik an“, verkündete der Oldenburger Biologe Wilfried Wackernagel und behauptete: „Ohne Gentechnologie ist im biologischen und medizinischen Bereich keine Grundlagenforschung möglich.“ Schon immer haben Mikroorganismen im Verlauf der Evolution fremde DNA aufgenommen und „ausprobiert“, sagte der Biologe und kam zu der Vermutung: „Womöglich sind gentechnisch manipulierte Plasmide kein qualitativ neues Material.“ Allerdings erhöhe sich das Gefahrenpotential, wenn gefährliche Gene aufgenommen werden. Und eine Prognose gebe der Wissenschaftler „sowieso nicht gern ab“. Doch „als Mensch“ würde er auch krebserregende Gene an seine Haut kommen lassen: „Ich wasche mir dann die Hände und gerate nicht in Panik.“

Die Gentechnologie soll industriell angewandt werden, zum Beispiel bei Lebensmitteln, obwohl Wissenschaftler ihre Risiken ähnlich schwer einzuschätzen können wie die der Atom- Technologie. Das „novel food“- Gesetz der Europäischen Gemeinschaft beschere den Verbrauchern Tomaten, die — weil ihr Alterungsgen manipuliert ist — drei Wochen lang frisch und rot bleiben, warnte Jutta Draub- Ketelaar. „Die Genmanipulation fördert die Industrialisierung der Landwirtschaft“, kritisierte sie und forderte eine Kennzeichnungspflicht für genmanipuliertes Obst und Gemüse. Ein Zuhörer hielt dagegen: „Durch Genmanipulation kann ich die Tomaten, die den Geschmack verloren haben, weil sie unreif geerntet werden, wieder natürlich machen.“

Auch Gift sei natürlich, wandte eine Zuhörerin ein, es komme alles immer auf die Dosis an. Was die Risiken der Gentechnologie schwer einschätzbar macht, ist, was Wissenschaftler mit dem Wort „Eingriffstiefe“ bezeichnen: Die Manipulation von winzigen Teilchen in Zellkernen, die die Information über die Zusammensetzung des Organismus beinhalten. Über Risiken wollten die anwesenden WissenschaflterInnen, die selbst mit manipulierten Genen arbeiten, nicht sprechen. Nur der Kritiker Manuel Kiper bemerkte sarkastisch: „Die Natur wird überleben, sicher. Bleibt das Restrisiko. Es kann uns eben passieren, daß wir selbst verschwinden.“ Das Problem sei nicht die Gentechnik, sagte der Kritiker, sondern der „sorglose Umgang mit biologischem Material“. Die tägliche Erfahrung lehre: „Es wird überall geschludert, und es passieren Dinge nebenbei, die wir nicht wollen.“

Und wie wird sich das Land Bremen in der Debatte um das neue Gesetz verhalten? Helmut Gottwald: „Bremen hat eine kritische Tradition. Schutz und Vorsorge sind uns die wichtigsten Anliegen.“ Diemut Roether

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