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Wird der Iran zum Irak von morgen?

Beim Aufbau einer „Nachkriegsordnung“ am Golf und der Aufteilung politischer Einflußsphären in der früheren südlichen Sowjetunion fühlt sich der Iran zunehmend isoliert  ■ Von Ivesa Lübben

Berlin (taz) – Dem Iran drohe das gleiche Schicksal wie seinem irakischen Nachbarn, der seinen Machthunger bis heute mit politischer Isolation und einer Wirtschaftblockade bezahlen müsse, warnte vorletzte Woche der ägyptische Präsident Mubarak. Er wirft der iranischen Regierung vor, extremistische islamische Gruppen in Ägypten finanziell und mit Waffen zu unterstützen. Der Konflikt zwischen dem Iran und den Vereinigten Arabischen Emiraten um drei Inseln im persisch-arabischen Golf, der saudisch-iranische Streit um die Erdölpreise in der Opec, die Warnungen aus Washington vor dem iranischen Rüstungsprogramm – all dies weist durchaus Parallelen zum Szenario in den Monaten vor Ausbruch der Golfkrise im August 1990 auf.

„Das Problem des Westens mit Saddam Hussein besteht nicht darin, daß er ein Diktator ist, sondern daß er ein „unabhängiger“ Diktator werden will“, sagte der kuwaitische Politologe Najib Khaldoun, kurz bevor die ersten US- Flugzeuge im Januar 1991 zur Bombardierung Bagdads abhoben. Zwei Jahre nach dem Beginn des Golfkrieges könnte man „das Problem des Westens“ mit dem Iran durchaus analog beschreiben: Nicht das islamisch-fundamentalistische Regime stört den Westen, wie das Beispiel Saudi-Arabiens zeigt, sondern daß Teheran sich anmaßt, ein „unabhängiges“ islamisches Regime anzustreben.

Nach Berichten des Londoner „International Institute for Strategic Studies“ soll der Iran während der letzten drei Jahre Panzer, Kampfflugzeuge, Mittelstreckenraketen und zuletzt drei U-Boote im Gesamtwert von zwölf Milliarden US-Dollar in Rußland, China und Nordkorea geordert haben. US-Militärkreise behaupten, der Iran wolle bis zum Ende dieses Jahrzehnts größte Militärmacht im Mittleren Osten werden. Innerhalb der nächsten fünf bis sieben Jahre seien die Iraner in der Lage, Atomwaffen zu produzieren. Pentagon-Sprecher Richard Boucher erklärte vorletzte Woche, Washington werde alle Mittel einsetzen, um den Iran an der Fortsetzung seines Rüstungsprogramms zu hindern. Nach Informationen der in London erscheinenden arabischen Zeitung Al-Hayat fand vor zehn Tagen auf Betreiben der USA in Bonn ein Geheimtreffen von Vertretern der G-7-Staaten statt, um über Möglichkeiten eines Waffenembargos gegen den Iran zu diskutieren.

Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Zerstörung des irakischen Militärpotentials war rund um den Iran ein „strategisches Vakuum“ entstanden. Aber obwohl der Iran die längste Küste am Golf und dreimal soviel Einwohner wie alle Mitgliedsstaaten des „Golf Cooperation Council“ zusammen hat, wiesen die Golfscheichs Teheran bei dem Versuch zurück, beim Aufbau einer neuen Sicherheitsordnung am Golf mitzuwirken. Die Sicherung der Ölquellen überließen sie lieber den Amerikanern. Und in die islamischen GUS-Republiken schickten die USA und Rußland in einer konzertierten Aktion die Türkei als „säkulare, prowestliche Alternative“ zum „fundamentalistischen Iran“, um Entwicklungsgelder zu verteilen. Mit der Ausschaltung des Iran als regionalem Machtfaktor wird derzeit in Südwestasien von außen eine Ordnung installiert, die im Widerspruch zu den dortigen Kräfteverhältnissen steht. Die resultierenden Spannungen münden zwangsläufig in eine neue Aufrüstungsrunde.

In der iranischen Führung um Staatspräsident Ali Akbar Haschemi Rafsandschani nimmt man die Anspielungen auf das „Beispiel Irak“ sehr ernst. Anfang November fand an der Universität Teheran ein Seminar über „Die neue Weltordnung und ihre Gefahren für die nationale Sicherheit“ statt. „Der Iran ist von einem Ring regionaler Krisenherde umzingelt. Das beginnt mit dem ehemals sowjetischen Aserbaidschan, geht über Irakisch-Kurdistan, irakisch- iranische Grenzstreitigkeiten, Abu Musa, bis nach Usbekistan, wo sich die Blockade gegen den Iran fortsetzt, deren Drahtzieher die Türkei ist“, erklärte Dr. Jaafar Waldani, Leiter der „Abteilung für Internationale Wirtschaft“ im iranischen Außenministerium. Waldani befürchtet zudem die Entstehung neuer Krisenherde an der Ostgrenze des Landes, in Afghanistan und Balutschistan. Auch schließt er mittelfristig Konflikte mit den mittelasiatischen GUS- Republiken nicht aus, vor allem nachdem fast zeitgleich die Präsidenten Kasachstans, Usbekistans und Kirgisiens den Iran beschuldigt haben, islamische Oppositionsbewegungen in ihren Ländern zu unterstützen. Bislang abgeschlossene Kooperationsabkommen mit Aserbaidschan und Kasachstan reichen aus iranischer Sicht zur Stabilisierung der Beziehungen bei weitem nicht aus.

Ein Geheimbericht des parlamentarischen Ausschusses für Nationale Sicherheit warnt vor einem „westlichen Plan, das Land zu zerstückeln“. Während des Kalten Krieges habe der Westen einen geeinten Iran als Bollwerk gegen die Sowjetunion gebraucht. Heute verfolge der Westen eine Politik des „Gleichgewichts der Schwäche“ im Nahen und Mittleren Osten, heißt es in dem Bericht, der der arabischen, in London erscheinenden Wochenzeitschrift Al-Wasat zugespielt wurde.

Die Errichtung von UN-Sicherheitszonen im schiitischen Süden und kurdischen Norden des Irak wird in dem Bericht als gefährlicher Präzedenzfall für Iranisch- Kurdistan und das von Arabern bewohnte Khuzistan interpretiert. In Teheran hat man auch Angst vor möglichen Forderungen im ehemals sowjetischen Aserbaidschan nach Wiedervereinigung mit den 10 Millionen iranischen Aseris. In der Türkei wurde kürzlich eine Organisation der „Aseris in der Türkei“ gegründet, die gar ein Groß-Aserbaidschan als Teil der Türkei fordert.

Über Auswege aus der Krise ist man in Teheran geteilter Meinung. Die Pragmatiker um Staatschef Rafsandschani favorisieren eine Annäherung an den Westen bis hin zur Wiederherstellung diplomatischer Beziehungen mit Washington. Auch den Interessen der nationalen Minderheiten müsse man mehr Aufmerksamkeit entgegenbringen. Das islamische Regime habe die Nationalitätenpolitik des Schahs unverändert fortgesetzt und Perser gegenüber den ethnischen Minderheiten bevorzugt, heißt es selbstkritisch in dem schon erwähnten Bericht des Ausschusses.

Dagegen opponieren die Hardliner, die weiterhin auf Konfrontation mit dem Westen setzen. Der Bericht warnt denn auch davor, daß „revolutionäre Organisationen“ außerhalb der vom Staatspräsidenten kontrollierten Institutionen Rafsandschanis Annäherungsversuche an den Westen durch verstärkten Revolutionsexport torpedieren könnten. Die zunehmende Isolierung des Iran würde den Hardlinern Argumente zur nachträglichen Rechtfertigung ihres Vorgehens in die Hand geben. Für die Stabilität des Golfs und Mittelasiens wäre dies sicherlich wenig förderlich.

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