: Tanzstunden mit Ruprecht Eser
■ Vox stellte Programm vor – Diagnose: akute Magazinitis
Nun ist es also endlich raus. Wo sich die Vox-Verantwortlichen hinsichtlich konkreter Programminformationen bislang beharrlich hinter Vollton-Slogans wie „Ereignisfernsehen“, „aktuell und informativ“, „unterhaltsam und innovativ“ etc. verschanzten und allenfalls mal den ein oder anderen Namen künftiger Bildschirmgesichter fallen ließen, hat die Welt seit Montag zumindest eine ungefähre Vorstellung, womit man denn ab dem 25. Januar 1993 von Köln aus die Fernsehnation beglücken möchte.
Daß es sich bei Vox um einen reinen Nachrichten-Kanal handeln könnte, wies Chefredakteur Ruprecht Eser bei der Programmpräsentation im neuen Sendezentrum (prima glasig mit einer Prise postmodern) als rätselhaftes Mißverständnis zurück. Zwar räumte er gegenüber dem ursprünglichen Konzept gewisse Verschiebungen hin zu mehr Fiktion und Infotainment ein, aber im Grunde sei Vox von Beginn an ein „informationsorientiertes Vollprogramm“. Das heißt? Programm von morgens 10 Uhr (auf ein ehedem geplantes Frühstücksfernsehen wird erst mal verzichtet) bis Mitternacht, Nachrichten zu jeder vollen Stunde („punkt vox“), ein 30minütiges Mittagsmagazin („vox midi“) und die Haupt-News-Show („welt vox“) mit den „Ankern“ Wibke Bruhns und Ex-FR-Chefredakteur Werner Holzer um 19.45 Uhr.
Für taufrische Beiträge aus aller Welt sollen neben einer Reihe von Korrespondenten vor allem sogenannte „Fly Away Teams“ sorgen. Mobile Einsatztruppen, die auf der Jagd nach spektakulären Erschütterungen jedweder Art um den Globus jetten. Hauptbestandteil des Vox-Programms wird jedoch eine schier inflationäre Zahl von Magazinen und Journalen sein. Sie tragen so unbändig kreative Titel wie „Avanti“, „die da!“, „Kinderkram“, „Balance“ oder „liebe sünde“ und beschäftigen sich regelmäßig mit so gewichtigen Sujets wie – in obiger Reihenfolge – den Freuden des Teenager-Daseins, Frauen-Themen, Fragen rund ums Kind, Fitness und der geheimnisvollen Welt der Erotik. Desweiteren im Angebot: ein Reise-Magazin, ein Kino-Magazin, ein Hauptstadt-Magazin (gestaltet von Elf99), ein Medien-Magazin usw. usf. Nicht zu vergessen die zunächst sieben Info-Magazine, die die verschiedenen Zeitungsverlage (u.a. Süddeutsche Zeitung, Die Zeit und der Spiegel) im täglichen Wechsel allabendlich für den Vox- Lizenznehmer DCTP (Alexander Kluge) gestalten werden. Auch die Neue Zürcher Zeitung wird ab September 1993 ein eigenes Magazin im Programm haben. Daneben wird es noch reichlich Talk-Shows (mit umwerfenden Namen wie „Nachmittalk“) und Interviews sowie Dokumentar- und Spielfilme geben. Dies teilweise auch in Serie wie etwa mit 26 Folgen der BBC- Doku-Reihe über berühmte Spionagefälle oder gleich 45 Episoden der kanadischen Fiktion-Serie „F.N.G.“ aus dem Alltag einer Nachrichten-Redaktion.
Mit besonders quotenträchtigen Schmankerln wartet Vox im Bereich der Leibesübungen auf. Neben Damen-Tennis und US-Basketball hat man sich über die Übertragungsrechte für 14 Tanzturniere(!) gesichert. Schon mal vormerken: Am 17. Dezember 1993 tobt in Münster das packende Finale um den Vox-Pokal übers Parkett. Reinhard Lüke
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