: Gericht wegen NPD-Richter besetzt
NPD-Landeschef darf nach einem Urteil des Landesarbeitsgerichts ehrenamtlicher Richter am Arbeitsgericht bleiben/ 300 DemonstrantInnen „wütend und enttäuscht“ ■ Aus Bochum Walter Jakobs
„Über das Urteil des Landesarbeitsgerichts bin ich wütend und enttäuscht. Es zeigt, daß die Gerichtsbarkeit auf dem rechten Auge blind ist.“ Mit diesen Sätzen begrüßte Ulrike Kleinebrahm, DGB-Vorsitzende in Bochum, gestern etwa 300 GewerkschafterInnen, die den Verhandlungssaal der ersten Kammer des Bochumer Arbeitsgerichts „symbolisch“ besetzt hatten. Der Protest galt dem langjährigen Landesvorsitzenden der NPD in NRW, Peter Markert, der als ehrenamtlicher Richter in der dreiköpfigen Kammer Recht spricht. Die vom Arbeitsministerium beantragte Amtsenthebung wurde endgültig vom Landesarbeitsgericht in Hamm abgelehnt.
Markert war 1990 vom Düsseldorfer Arbeitsministerium auf Vorschlag des „Deutschen Arbeitnehmerverbandes“ (DAV) berufen worden. Mitte Juli hatte die Gewerkschaft ÖTV die rechtsradikalen Hintergründe des DAV in die Öffentlichkeit gebracht. Erst danach leitete das Arbeitsministerium das Amtsenthebungsverfahren ein. Warnungen vor der rechtsradikalen Unterwanderung des DAV lagen dem Ministerium indes schon lange vor der letzten Berufungsrunde im Jahr 1990 vor.
Diese „politische Fahrlässigkeit“, so der ÖTV-Bezirksvorsitzende Klaus Orth, kann nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes nun nicht mehr geheilt werden. Zwar teilen auch die Hammer Richter die Auffassung, daß „ein Verhalten außerhalb des Amtes das Ansehen des ehrenamtlichen Richters derartig erschüttern“ könne, daß „eine Amtsenthebung in Betracht kommt“, aber bei Markert gebe es dafür keinen Grund.
Selbst die rassistischen Begründungen für ein von Markert als Vertrauensmann betreutes „Volksbegehren zur Ausweisung abgelehnter Asylbewerber“ reichen dem LAG nicht aus. Abgelehnte Asylbewerber, die in Deutschland geduldet werden, so schrieb Markert in einem Flugblatt, „beherrschen die Drogen- und Prostitutionsszene und stellen wegen der in diesen Kreisen festgestellten hohen kriminellen Energie, die sich in vielen schweren Gewalttaten von Mord, Einbruch, Vergewaltigung bis zum Bank- und Straßenraub äußert, eine ständige Gefahr für die einheimische deutsche Bevölkerung dar“. Diese Aüßerung stellt für das Landesarbeitsgericht zwar eine „schwer erträgliche und unverantwortliche Pauschalverdächtigung aller im Lande lebenden Asylbewerber dar“, aber die „verständliche Empörung“ darüber dürfe nicht davon ablenken, daß Markert „eine in der Bevölkerung virulente Stimmung artikuliert“ habe, „um sie parteipolitisch nutzbar zu machen“. Weil die politische Auseinandersetzung insgesamt „unfair, unsachlich und unverhältnismäßig aggressiv“ geworden sei, könne aus „der einmaligen Entgleisung“ keine Amtsenthebung abgeleitet werden. Die setze den „nachgewiesenen groben Verstoß gegen die Verpflichtung zur Verfassungstreue oder zur Mäßigung und Zurückhaltung bei der politischen Betätigung voraus“. Daran aber fehle es.
Eine Urteilsbegründung, die nicht nur beim ÖTV-Bezirksvorsitzenden Klaus Orth Verbitterung hervorgerufen hat: „Solange der Pöbel auf der Straße ,Ausländer raus‘ ruft, solange darf das auch der ehrenamtliche Richter.“ Ein „unglaubliches und unmögliches Urteil, gerade angesichts der Ausländerfeindlichkeit in unserem Land“. Orth weiter: „Richter, die zu einer solchen Entscheidung kommen, verraten faschistische Denkstrukturen.“
Die 300 DemonstrantInnen empfingen Markert gestern mit „Nazi raus“-Rufen. Sechs der sieben angesetzten Verfahren mußten vertagt werden. In vier Fällen beantragten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite einträglich einen neuen Termin. Ein weiteres Verfahren scheiterte durch einen Befangenheitsantrag. Darin sahen viele der Protestierenden, die gekommen waren, „weil wir uns die Demokratie durch Nazis nicht kaputt machen lassen wollen“, zumindestens „einen Teilerfolg“.
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