■ Scheibengericht
: Jimmy Giuffre 3 Fusion & Thesis

Die drei sind keine Unbekannten. Jimmy Giuffre und Paul Bley sind gar durch einen Eintrag im Riemanns Musiklexikon geadelt, und auch Steve Swallow wird man nicht vorstellen müssen. Dennoch handelt es sich bei der Wiederveröffentlichung der beiden Platten von 1961 um eine Entdeckung in mehr als einer Hinsicht. Da ist einmal der wiedergefundene Sound. Paul Bley schlägt am Klavier einen Ton an, den erst Keith Jarrett mit seinem Standard-Trio Anfang der Achtziger wieder aufnimmt. Der Verzicht auf vollgriffiges Spiel, die Reduktion auf wenige, doch sehr sorgfältig artikulierte Töne, selbst die Grunzer sind hier bereits angelegt. Jimmy Giuffre rauht mit Restluft den Klarinettenton an und setzt jenem gefälligen, polierten Ton, der dieses Instrument im Jazz so lange so unmöglich gemacht hat, einen durch und durch individuellen Klang entgegen. Seine Intensität ist das Resultat der Maxime, lieber keinen Ton zu spielen als einen, der nicht gefühlt ist.

Steve Swallow, damals gerade zwanzig Jahre alt, spielt gelöst und unbekümmert. Er bringt bereits die gleiche adlige Zurückhaltung wie seine älteren Kollegen auf. Und genau diese Einfühlsamkeit der drei, gepaart mit permanenter Aufmerksamkeit und instinktsicherer Reaktion, ist die Grundlage für ein Zusammenspiel, bei dem das Resultat mehr ist als die Summe der Einzelleistungen. Solches Surplus gehört zu den wirklich raren Dingen in einer Musik, die so viele ausgezeichnete Musiker, aber so wenige Ensembles mit dieser Qualität hervorgebracht hat.

Das „fehlende“ Schlagzeug (es fehlt kein Schlagzeug) ersetzen die drei arbeitsteilig. Sei es Giuffre, der gelegentlich das Rohrblatt tonlos wie ein Becken rauschen läßt, oder Swallow, der die Saiten seines Kontrabasses auf dem Griffbrett schnarren läßt, oder Bley, der in den Flügel greift, die Saiten dämpft und Tom-Toms suggeriert. Immer aber, versteht sich, nur als Andeutung, soviel, daß gerade zu verstehen ist, was gemeint ist. Alles weitere wäre überflüssig, denn der Drive entsteht durch das Ineinandergreifen der Stimmen, im Zusammenspiel der Akzente und Impulse. Dadurch kommt das Trio zum Schweben, ohne Kraftaufwand, als wäre es das natürlichste der Welt. Ein Glücksfall. Anderthalb Sternstunden.

ECM 849644-2