■ Ökolumne: Öko-Rassismus Von Jutta Ditfurth
Wer ImmigrantInnen auf ihre ökonomische Verwertbarkeit reduziert und sie in Kontingenten ins Land läßt, braucht keine Brandanschläge. Rassismus artikuliert sich je nach gesellschaftlichem Einfluß der Täter höchst unterschiedlich. Zu den Mythen des Bürgertums gehört seine angeblich strikte Trennung von rassistischer und neofaschistischer Szene. Heute ist eine Wurzel des Rassismus ein entmenschlichtes Verständnis von Ökologie.
Bei einem Seminar widersprach Peter Gauweiler (CSU) dem BUND-Vorsitzenden Hubert Weinzierl nicht, der sagte: „Jeder Naturschutz endet dort, wo die Menschenlawine alles überrollt.“ Für Weinzierl ist nur mit der „Eindämmung des Überbevölkerungsstromes ... unsere Zivilisationslandschaft (so) zu gestalten, daß sie wert bleibt, Heimat genannt zu werden“.
Der Mensch ist ein besonderer Teil der Natur, fähig zu denken, zu lernen, sein Leben zu planen, Utopien zu entwickeln, kreativ zu sein, sich zu befreien. Sein soziales Wesen unterscheidet ihn von Tieren und Pflanzen. Rechte Ökologen bis hin zu Ökofaschisten übertragen „Regeln“ aus der (vorurteilsbeladenen) Beobachtung von Pflanzen und Tieren auf die menschliche Gesellschaft. Biologie wird Schicksal. Sie nehmen den Menschen ihr soziales Wesen und haben mit der Gleichheit aller Menschen nichts im Sinn.
taz-Autor Herbert Gruhl, der ein Bundesverdienstkreuz von der rosagrünen niedersächsischen Landesregierung erhielt, empfiehlt als „ökologisches Rezept“ gegen „Menschenlawinen“ und „Überbevölkerungsfluten“: „Die einzige Währung, die hier gilt und in der Verstöße gegen die Naturgesetze beglichen werden können, ist der Tod, er schneidet alles Leben, das auf diesem Planet auswuchert, wieder zurück.“ Weil nur die „Menschen des Abendlandes zur Geburtenkontrolle fähig“ sind, bleibt – so zitiert Gruhl zustimmend – letztlich nur Gewalt: „Für einige überfüllte Populationen mag ... sogar die Atombombe eines Tages keine Drohung mehr sein, sondern Befreiung.“
Staatliche Bevölkerungspolitik – heute oft ökologisch begründet – meint im Norden Nötigung zum Gebären, im Süden fremdbestimmte Verhütung, Zwangssterilisation und Völkermord. Dabei hilft die Ideologie von der Höherwertigkeit der „weißen“ oder „arischen Rasse“, als gäbe es Rassen und nicht nur Unterschiede nach sozialer Lage, Geschlecht, kultureller Erfahrung und geographischen Voraussetzungen.
Im New Age, der Ideologie des unbedingten Ego- Kultes, lautet die zentrale Order: Opposition gegen unterdrückerische Verhältnisse ist unerlaubte Einmischung in das Karma, das „Schicksal“. Konzentriere dich auf dich selbst, übe dich in esoterischen Ritualen, bereite dich als Teil einer Elite auf das Wassermannzeitalter vor, laß all die minderwertigen, schwarzen, braunen, von der Natur zum Aussterben verdammten Menschen unter dir.
Für den anthroposophischen Chefideologen Rudolf Steiner etwa sind die „arischen“ Europäer die höchstentwickelte „Wurzelrasse“ der Menschheit, im Gegensatz zu den „triebstarken Negern“, denen jede europäische „Denkkraft“ fehlt.
Im Naturbegriff verschiedener biologistischer und esoterischer Fraktionen finden wir ein Menschenbild, das dem des Faschismus eng verwandt ist. Ein modernisierter Faschismus braucht Ökologie in rassistischer Interpretation als Kampfbegriff gegen die „minderwertigen“ erniedrigten, ausgebeuteten Menschen, deren Aufstände die Mauern der Wachstumsfestung Europa erschüttern könnten.
Schon sehen Teile des Bürgertums ihren Wohlstand und ihre Privilegien bedroht. Der „vom Lustprinzip bestimmte Konsumismus“, so das militärische Kommando des Grünen Udo Knapp, muß gegen die „äußere Bedrohung durch den Rest der Welt“ verteidigt werden. Grünhelme schlägt Knapp vor, eine „rapid force der Weltökologie“. Ökologie wird zur Frischzellenkur für Herrschafts- und Ausbeutungsinteressen, zum rassistischen Kampfbegriff gegen das Recht auf Gleichheit, Selbstbestimmung, Emanzipation und das menschliche Leben selbst. Und nicht zuletzt bleibt auch die Natur auf der Strecke.
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