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„Tanzt und befreit eure Seele“

Zu Besuch bei einem afrikanischen Tanzkurs  ■ Von Nini Accra

„Trommeln wie in Afrika“ oder „Afro-Tanz mit Jimmy“: So oder ähnlich lauten die unzähligen kulturellen Angebote afrikanischer Entwicklungshilfe in Deutschland. Ich bin skeptisch, denn oft sind die Nutznießer letztlich auf der weißen Seite.

Trotzdem mache ich mich auf den Weg zu einem dieser grenzüberschreitenden Tanzkurse. In einem unscheinbaren Kreuzberger Hinterhof liegt die „Tanzfabrik“. Im geräumigen Tanzsaal strömt fröhliche Highlife-Musik aus dem Lautsprecher. Hier soll der sportliche Kulturaustausch stattfinden? Vergeblich suchen meine mißtrauischen Augen nach den von mir erwarteten Prototypen weißen Kulturkolonialismus: deutsche Feierabendausländer, die sich perlenbehangen nach stereotyper Exotik sehnen. Unechte blonde Rastazöpfe als Symbol der Selbstverleugnung und falschverstandener Solidarität? Zumindest an diesem Abend erweisen sich meine Klischeevorstellungen als unberechtigt: Die sechs Tanzschülerinnen machen einen ganz normalen, eher schüchternen Eindruck.

Vergnügt begrüßt Tanzlehrerin Rebecca Adaku Odametey die Schülerinnen. „Tanzt und befreit eure Seele“, das ist ihr Motto. Mit aufmunternden Worten versucht sie Woche für Woche „diese typische deutsche Verschlossenheit“ aufzubrechen. „Ich weiß nicht, was den Menschen in Deutschland fehlt“, sagt Adaku mit einem leichten Stirnrunzeln. „Trotz ihres ganzen Reichtums können sie nicht wirklich zufrieden sein und lachen. Viele meiner Schüler sagen mir immer wieder, daß sie afrikanische Tänze lernen möchten, um innerlich etwas freier zu werden.“

Seit drei Jahren unterrichtet Adaku westafrikanischen Tanz in Berlin. Ihr ältester Sohn Richard Kpakpo Odametey begleitet sie dabei auf der Trommel. Die kleine energievolle Frau aus Ghana ist in ihrem Heimatland eine renommierte Tänzerin. Die professionelle Karriere der 33jährigen Mutter von vier Kindern begann bereits in jungem Alter. Denn Adaku stammt aus einer berühmten Musikerfamilie. So lernte sie schon als Kind die Vielfältigkeit der ghanaischen Tänze und Rhythmen kennen und ging mit unterschiedlichen Formationen auf Tournee. Seit Ende der 80er Jahre ist Adaku Odametey Mitglied des erstklassigen „Ghana Cultural Ballet“.

„Lange Zeit wollte ich gar nicht nach Deutschland kommen, da ich so viele schlimme Dinge über Europa gehört hatte“, berichtet sie. Anfang 1990 kam Adaku nach Berlin. In Westeuropa tourt die humorvolle Frau seither regelmäßig mit ihren Geschwistern unter dem Namen „Ogidigidi“. Das heißt soviel wie „feurige Kraft“, und entsprechend beginnen die Unterrichtsstunden: Während der Aufwärmphase übt die Gruppe vor allem den rhythmischen Hüftschwung zur Musik. Unter Trommelbegleitung und eigenem Gesang folgt der „Kpacha“: ein spielerisch-erotischer Partnertanz, der in Ghana bei Jugendlichen sehr beliebt ist. Mit einem geduldigen Lächeln macht Adaku die Übungen vor. Es sieht alles sehr harmonisch und eigentlich ganz einfach aus. Doch das verschmitzte Lächeln ihres Sohnes Richard verrät es: So recht gelingen will es an diesem Abend keiner der Schülerinnen. Die Bewegungen sind noch zu staksig und verkrampft.

„Die durchschnittlichen Mitteleuropäer sind einfach zu steif und zurückhaltend“, meint die 27jährige Silke ernüchtert. Für die komplizierten Rhythmen und anspruchsvollen Bewegungsabläufe afrikanischer Tänze sei es notwendig, „ein anderes Verhältnis zum eigenen Körper“ zu entwickeln. Dies beginne mit der „Fähigkeit, über sich selbst lachen zu können“.

Wie die meisten der mehrheitlich weiblichen Tanzschülerinnen in Adakus Kursen, ist auch Silke eher zufällig über eine Annonce zum afrikanischen Tanz gekommen. Frühere Tanzkurse waren ihr „zu kopflastig“. Beim afrikanischen Tanz kann sie „abschalten“ und anschließend mit „einem befreiten Gefühl“ nach Hause gehen. „Weg vom Schreibtisch“ zog es auch die 28jährige Jeannette, angehende Studienrätin, die von der „ganzheitlichen Beanspruchung des Körpers“ begeistert ist.

Immer wieder unterbricht Adaku ihren trommelnden Sohn, um in geduldigen Einzelübungen die schwierige Koordination von Füßen, Armen und der Hüfte zu demonstrieren. „Das ist schwere Kleinstarbeit“, meint die ehemalige Schülerin Vaciliki über die Arbeit ihrer ghanaischen Freundin. „Sie ist unheimlich geduldig, auch wenn es Schüler gibt, die es sicherlich nie lernen werden. Doch selbst bei Leuten, die total zu sind, bewegt sie immer etwas.“ Bei Vaciliki, der Berlinerin griechischer Herkunft, jedenfalls hat sich einiges bewegt. Sie hat sich zur Percussionistin gemausert und ist obendrein vor kurzem Adakus Schwiegertochter geworden.

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