: Abgemildertes Abtreibungsverbot
Polnisches Parlament verwässert Gesetzesvorlage, mit der die katholischen Parteien das Abtreibungsrecht verschärfen wollten/ Keine soziale Indikation vorgesehen ■ Aus Warschau Klaus Bachmann
Polens Parlament hat am Donnerstag eine drastische Verschärfung des bisherigen Abtreibungsgesetzes beschlossen. Sie schließt unter anderem die bisher zulässige soziale Indikation aus.
Künftig sind Abtreibungen somit nur noch zulässig, wenn dadurch eine Bedrohung für Leben oder Gesundheit der Mutter abgewendet werden kann, dem Kind unheilbare Schäden drohen würden oder die Schwangerschaft durch Vergewaltigung zustande kam.
In allen Fällen wird ein Schwangerschaftsabbruch mit bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft, nicht bestraft werden kann allerdings die Mutter, vorausgesetzt, sie nimmt die Abtreibung nicht selbst vor. Das Gesetz richtet sich somit in erster Linie gegen die behandelnden Ärzte und andere Personen, die bei einem Eingriff Hilfe leisten oder eine Schwangere dazu auffordern oder gar erpressen.
Bisher waren in Polen Abtreibungen relativ problemlos möglich gewesen, da das alte Abtreibungsgesetz aus den Fünfziger Jahren auch eine soziale Indikation enthielt und besondere Voraussetzungen zu deren Feststellung nicht vorsah. Erschwert wurden entsprechende Eingriffe erst durch einen Beschluß der Standesvertretung der Ärzte, die ihren Mitgliedern unter der Drohung eines Berufsverbots Schwangerschaftsabbrüche verbot. Seither hat Presseberichten zufolge der Abtreibungstourismus nach Litauen, in die Ukraine und nach Weißrußland stark zugenommen.
Der dem Parlament vorliegende Gesetzesentwurf sah jedoch eine solche Verschärfung der geltenden Abtreibunsregelungen vor — geplant war Abtreibung nur dann zu erlauben, wenn das Leben der Mutter in Gefahr sei —, daß selbst einige Christnationale dagegen stimmten. Für die veränderte Vorlage stimmten 213 Abgeordnete, 171 waren dagegen und 29 enthielten sich der Stimme.
Nach der nun verabschiedeten Fassung muß die kommunale und staatliche Verwaltung jetzt sogar dafür sorgen, daß überall im Lande Verhütungsmittel frei zugänglich sind. In den Schulen wird Aufklärungsunterricht zu Sexualkunde, Familienplanung und Verhütung eingeführt, Schwangerschaftsvoruntersuchungen sind ausdrücklich erlaubt.
Geblieben sind dagegen die Bestimmungen, wonach jedes Kind nicht erst ab der Geburt, sondern bereits ab der Zeugung rechtsfähig wird, was zugleich auch bestimmte Verhütungsmittel, wie die in Polen sehr populäre Spirale „kriminalisiert“.
Zufriedenstellen dürfte dieser Kompromiß indessen weder Befürworter noch Gegner einer Verschärfung. Für die Christnationalen gehen die Bestimmungen nicht weit genug, für die Parlamentslinke gehen sie zu weit. Teile der demokratischen Union hatten zusammen mit Mitgliedern der exkommunistischen Sozialdemokraten in den letzten Wochen eine landesweite Unterschriftenaktion zur Durchführung eines Referendums über die Strafbarkeit der Abtreibung organisiert, in deren Verlauf über eine Million Unterschriften gesammelt wurden.
Den Sejm überzeugte dies allerdings nicht. Einen entsprechenden Antrag zur Durchführung des Referendums lehnte eine Mehrheit von 225 Abgeordneten bei 117 Gegenstimmen und 16 Enthaltungen ab. Ein Referendum könnte nach derzeitiger Verfassungslage nur noch der Senat, die zweite Kammer des polnischen Parlamentes, oder Präsident Lech Walesa veranlassen.
Der Senat muß nun auch das entschärfte Abtreibungsgesetz absegnen, womit allerdings nicht gerechnet wird. Wahrscheinlicher ist, daß der Senat die Vorlage erneut verschärfen wird, worauf sie wiederum in den Sejm geht. Auch hat Präsident Walesa bereits erklärt, er werde kein Gesetz unterschreiben, das Abtreibung zuläßt. Näher präzisiert hat er das allerdings nicht. Der Streit um die Abtreibung, der bereits die regierende Koalition an den Rand der Spaltung brachte, ist damit noch lange nicht beendet, am 18.Januar erhält der Senat das Wort.
Polnische Regierung hält am Reformkurs fest
Die polnische Ministerpräsidentin Hanna Suchocka hat die Entschlossenheit ihrer Regierung bekräftigt, sich durch die jüngsten Streiks nicht vom Reformkurs abbringen zu lassen. Vor den lokalen Verwaltungschefs (Wojewoden) sagte sie in Warschau, für die Reformen und die wirtschaftliche Gesundung des Landes sei Stabilität jetzt besonders wichtig.
Insofern seien die Streiks der Bergleute und der Eisenbahner ein Schlag gegen den Staat insgesamt gewesen. Die Regierung habe den Bergarbeitern nur solche Strukturveränderungen vorgeschlagen, über die sie ohnehin schon seit Monaten mit den Gewerkschaften verhandelt habe. Sie habe keine Zugeständnisse gemacht, „die die Regierung zur Änderung ihres Programms zwingen würden“.
Die Regierung sei bereit gewesen, Sondermaßnahmen einzuleiten, falls der Streik sich länger hingezogen hätte. Das am 31. Dezember verhängte und jetzt wieder aufgehobene Exportverbot für Kohle sei nur ein erstes Anzeichen dafür gewesen. Jetzt werde es große Anstrengungen kosten, bei der Bevölkerung wieder Vertrauen in die Stabilität des Landes und die Wirtschaftspolitik herzustellen.
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