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Kontrolleure aus dem gleichen Stall

■ Doch die EG-Kriterien für „Öko“ sind schwer zu erfüllen

Der Streit, ob die mit Kamille- Fermenten gedüngte Tomate gesünder ist als die ohne, gehörte zur Biobauernszene wie die ungeschwefelte Rosine zum Vollwertmüsli. Doch die Zeiten haben sich geändert: Seit dem Januar 93 regelt eine EG-Verordnung, nach welchen Kriterien das Etikett „aus ökologischem Anbau“ vergeben wird. Der kontrollierte Anbau wird jetzt staatlich überwacht, allerdings tritt der Staat nur als supervisor, als oberste Kontrollbehörde, auf.

Zwar sind die „Kontrollstellen“ meist als unabhängige Vereine organisiert, aber eine enge Verbindung zwischen Erzeugerverbänden und der Überwachung der Biobauern gibt es doch: Demeter, Naturland oder Bioland empfehlen ihren Mitgliedern in der Regel, wo sie kontrollieren lassen sollen.

Eine Interessenverquickung zwischen Demeter und Kontrollstelle sieht der Agraringenieur Mathias Stein nicht, der in Pforzheim eine Kontrollstelle leitet. Fast alle der von ihm kontrollierten Biobauern sind Demeter-Mitglieder: „Die Zusammenarbeit zwischen Demeter und uns ist zwar eng, aber als verlängerter Arm des Verbandes begreifen wir uns keinesfalls.“

Weil auch Ökobauern ihre Felder nicht unter einer Käseglocke bestellen, die Verseuchung mit Pestiziden ubiquitär ist, wird von den Kontrollstellen, bis auf wenige Stichproben, nur auf „Plausibilität“ geprüft: Hat der Ökolandwirt angesichts der bewirtschafteten Fläche eine nachvollziehbare Menge abgeliefert? Besteht der Verdacht, daß er zu den selbstangebauten biologischen Feldfrüchten konventionelle zugekauft und mit dem Warenzeichen des Erzeugerverbandes versieht?

Für den Lebensmittelchemiker und Fachjournalisten Udo Pollmer ist die EG-Verordnung ein großer Fortschritt. Erstmals gebe es halbwegs unabhängige Kontrollstellen für den Ökolandbau; bisher hätten sich die Erzeugerverbände immer nur selbst kontrolliert: „In bezug auf die Vergangenheit kann man sagen, daß es eine unabhängige Kontrolle nicht gegeben hat.“

Branchenkenner, so Pollmer, gingen davon aus, daß 80 Prozent aller verbandsorganisierten Ökobetriebe zur Zeit nicht die formalen Anforderungen der EG-Verordnung erfüllen könnten. Das bedeute nicht, daß diese Betriebe konventionell wirtschafteten. Aber Pollmer fordert für Chemiekonzerne und Bioerzeugerverbände die gleichen Maßstäbe: „Wenn ein Chemiekonzern behauptet, daß er sich selbst kontrolliert, gibt es Schlagzeilen. Bei den Bioverbänden hat man jahrzehntelang beide Augen zugedrückt.“ Rüdiger Soldt

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