piwik no script img

Micky's world: Geld und Stuten

■ Porträt des Hamburger Brokers M. Hutzler: "Ich war zu doof für einen anderen eruf"

M. Hutzler: »Ich war zu doof für einen anderen Beruf«

Er strahlt Seriosität und Selbstsicherheit aus. Ab und an testet der stattliche 58jährige seinen Charme und wird spitzbübisch, in dezentem Rahmen natürlich. Der Hamburger Broker Michael Hutzler kennt seine Wirkung auf Menschen, schließlich ist das Verkaufen der eigenen Person laut Hutzler eine der Fähigkeiten, über die ein guter Börsianer unbedingt verfügen muß. Ehrlicherweise nennt er das „prostituieren“. Sonst brauche man nur noch Fachwissen für das Geschäft mit den Millionen, lächelt er. That's all.

Nach dem zweiten Weltkrieg war er der erste deutsche Börsenmakler, der sich auf dem amerikanischen Markt betätigte. Dies ist bis heute seine Spezialität geblieben. Er kauft und verkauft für deutsche Banken, Versicherungen und Privatkunden Wertpapiere an der amerikanischen Börse. Doch gegenüber den kulturellen Einflüssen Amerikas gibt er sich kritisch. Über seine schmale Lesebrille mit Goldrand bekennt er, 1948 sei ihm ein dunkelbraunes Getränk angeboten worden, und es habe „scheußlich geschmeckt“. Doch opportun, wie eine echte Broker-Persönlichkeit ausgerichtet sein müsse, fiel sein damaliges Urteil über Coca Cola aus: gemäßigt positiv.

Die eigene „Hutzler Brokerage“ gründete „Micky“, wie ihn seine Freunde nennen, 1981 in Hamburg. Später folgten Dependancen in New York, Chicago, München, Frankfurt und Berlin. Der Jazzfan kokettiert: „Ich war zu doof für einen anderen Beruf.“ Diese spezifische Dummheit muß wohl erblich sein, auch sein Onkel und sein Vater, den er sehr bewundert, arbeiteten schon als Börsianer. Aufgewachsen während des Krieges in Berlin, zog er als Heranwachsender mehrmals um. In Bremen absolvierte er seine Bankenlehre, später ging er als Wertpapierhändler nach Brüssel und nach New York. Doch eigentlich wäre er, der seinen Beruf „wirklich liebt“, auch gerne Profi- Fußballer geworden.

Angesprochen auf sein Alter, rückt Hutzler das geltende Klischee zurecht, daß nur junge Broker fit genug fürs harte Geldgeschäft sind. Der Job sei nicht schlimmer als andere Berufe, nur etwas nervenaufreibender. „Wie eine Ziege im Veitstanz auf der Börse rumhopsen“, das sei nicht notwendig. Auch das ständige „Gebrülle“ sei nicht Berufsbedingung. An der New Yorker Wallstreet beispielsweise gehe es viel leiser zu.

In Hutzlers Welt zählt nur Geld. Und davon scheint er reichlich zu haben; schon ein kleiner Untertan erkämpft sich in der Broker-Branche mit seinem Teil der Courtage mindestens 15000 Mark im Monat. Als Chef eines Geld-Geschäfts fällt ihm natürlich der Löwenanteil an den Provisionen seiner Untergebenen zu. Entsprechend seinem Verdienst und seinem liebsten Werbespruch („We make money the old fashioned way: we earn it!“) kommen Hutzlers Ansichten über Armut daher.

In Deutschland gehe es uns sehr gut, meint er, wir hätten sogar das beste soziale Netz der Welt. Und die Arbeitslosen könnten doch was gegen ihre Misere tun, nämlich arbeiten, sagt er, der aus gut betuchtem Hause stammt und nebenbei als Hobby Pferde züchtet. Doch wo soll der Mann Erfahrungen mit dem „richtigen“ Leben machen? Nach dem „schönsten Geschäft der Welt“ geht er oft in seine Stammkneipe. Dort geben sich Banker, Broker und Manager ein Stelldichein. „Wenn wir auseinandergehen, haben wir den Weltumsatz in Hamburg gemacht“, amüsiert er sich. Und sonntags geht er auf die Hamburger Trabrennbahn. Dort fiebert er einem Sieg seiner Stute „Secret message“ entgegen.

Weniger realitätsfern scheinen seine Prognosen für 1994 auszufallen. Er schätzt, daß 750000 Arbeitslose die Straßen bevölkern werden und die unternehmerischen „Flaggschiffe der Nation“ ihren Ruin nur durch Bundesgelder abwenden können. Wegen der unterschiedlichen Zinspolitik in Deutschland und den USA hält er eine Geldanlage auf dem amerikanischen Markt für gewinnbringend. Er erklärt die Zinsschere. Und schon ist er beim Geschäft. Annette Bolz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen