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■ Joan Baez wurde in zwei Mannheimer Discos abgewiesenWolle mer die Fremde reilasse?

Ganz Deutschland rockt gegen Rechts und Ausländerfeindlichkeit. Toll! Heimelige Lichterketten gegen Rassismus. Auch schön! Ja sogar der deutsche Kinderschutzbund will deutschen Kindern in einer „Mut- mach-Aktion“ nun die Angst vor den fremdländischen Kurzen nehmen. Da merkt man doch gleich, daß Deutschland kein rassistischer Staat, das deutsche Volk gar nicht wirklich fremdenfeindlich ist! Schließlich waren ja nicht nur ein paar, sondern wirklich fast alle auf den Straßen, mit Bienenwachskerze und supersolisanftem Andachtsblick. Gut, im Osten gibt's natürlich schon noch ein paar Arschlöcher. Aber doch nicht im Westen. Wir haben sie doch seit 40 Jahren bei uns, die Ausländer, mitten unter uns, konnten uns an sie gewöhnen, sie schätzen und – oft genug – lieben lernen – gleich woher sie stammten. Außer ein paar gehirnamputierten Skinheads und dem in Parteien organisierten scheißbraunen Bodensatz, den es genauso in Frankreich oder Italien gibt, sind wir Wessis doch – ausländermäßig – ziemlich gut drauf. Deswegen verstehen wir einfach nicht, ja es steigt uns nachgerade Schamesröte ins Antlitz, wenn wir immer noch so brutal schlechte News reinkriegen, wie jüngst die um den Versuch unserer geliebten und stets sozialengagierten hohen Seventies-Stimme auf Deutschland-Tournee: Joan Baez. Sie wollte sich halt etwas entspannen und versuchte, mit ihren Musikern nach einem Auftritt in Mannheim in 'ne Disco zu kommen. „Halt, wo wollt ihr denn hin? Das sind zuviele Ausländer auf einmal“, schallte es ihnen im „Dreams“ entgegen. Raus, rasch! Auch im zweiten Anlauf namens „Tiffany“ hieß es: off limits! Joan Baez nahm's gelassen hin, marschierte mit ihren Musikern zum Mannheimer Wasserturm und feierte eben dort – umsonst und draußen. Der Schock, der uns ob dieser häßlichen Nachricht traf, war ebenso hart wie – gottseidank – von kurzer Dauer. Denn klar, Mensch, is' ja Fasching! Das war bestimmt nichts weiter als ein deutscher Faschingsscherz! Die sind manchmal etwas derber. Helau! Alaaf! Tusch! Und danach haben sie im „Dreams“ – als deutsche Pointe gewissermaßen – bestimmt „Gracias“ gespielt, oder vielleicht „The night they drove old dixie down“? Tata! Tata! Tata!

Mannheims Oberbürgermeister Gerhard Widder hat sich, so erfuhren wir, beim Veranstalter der Tournee entschuldigt und angekündigt, Frau Baez ein Blumengebinde überreichen zu wollen. Das ist wirklich gut. Vor allem dann, wenn Herr Widder dies künftig mit jedem ausländischen Opfer böser deutscher Scherze macht. Aber vielleicht würde das ja das Stadtsäckel der „weltoffenen Stadt“ zu sehr belasten. Philippe André

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