: Traumschiff oder Alptraum
■ Sozialbehörde in Asylschiff-Diskussion: „Wir stehen mit dem Rücken an der Wand“
„Nach drei Monaten auf so einem Containerschiff, da sind die Menschen doch reif für den Nervenarzt!“ schimpfte ein Gröpelinger. Hoch gingen die Wogen am Donnerstagabend im Oslebshauser Bürgerhaus. Die Grünen im Beirat Gröpelingen hatten zu einer Diskussion über das geplante Wohnschiff für 400 AsylbewerberInnen im Kohlehafen geladen. Gekommen waren neben rund 60 BürgerInnen auch die Grüne Karoline Linnert, Erhard Heintze vom Referat für Zuwanderung und Fritz Hallerstede vom Ressort für Ausländerintegration. Die geladenen Senatorinnen Gaertner und Trüpel hatten abgesagt.
Nichts gegen AsylbewerberInnen, auch nichts gegen AsylbewerberInnen in Oslebshausen — aber alles gegen die gedrängte Unterbringung auf einem Schiff, das war die Position der meisten Anwesenden. Ein Schiff mit 400 Personen aus den verschiedensten Ländern auf engstem Raum, ergänzte Karoline Linnert, das sei nur zu lenken, wenn man Regeln wie in einem Lager einführe.
Kleinräumig und dezentral sind die AsylbewerberInnen unterzubringen, hat es in den Koalitionsvereinbarungen geheißen. Doch das sei von der SPD-geführten Sozialbehörde nie besonders ernst genommen worden, sagte Linnert. Das wollte Heintze so nicht auf seiner Behörde sitzenlassen: „Kleinräumig und dezentral ist bei diesen Zahlen einfach nicht mehr zu machen. Wir stehen mit dem Rücken an der Wand.“ Bremen müsse ein Prozent der ankommenden AsylbewerberInnen, Bürgerkriegsflüchtlinge und AussiedlerInnen aufnehmen, im vergangenen Jahr waren das 4500. Auch wenn im Schnitt nur 20 Prozent von ihnen anerkannt oder geduldet werden, müßte man allen zunächst eine Bleibe bieten. Knapp 8.000 Geduldete und Asylberechtigte wohnen derzeit in Bremen.
Immerhin bis zum Jahr 1991 war es gelungen, sie ausschließlich in Wohnungen, Wohnheimen und Pensionen unterzubringen. Da sei man nun an eine Grenze gestoßen, Bunker und Turnhallen betrachtet allerdings auch die Sozialbehörde nicht als Lösung. Das Schiff soll auch dazu dienen, die Menschen aus den Bunkern zu holen. Auf Anhieb nannten die ZuhörerInnen dem Behördenvertreter Wohnhäuser, die in der Gegend leerstünden. Und dann gebe es ja noch die Kaserne. Doch die, so Heintze, werde erst 1996 frei, und was die Privathäuser betreffe: „Da müßte ich von jedem Ortsamtsleiter jeden Monat einen Brief mit Vorschlägen bekommen, wo was frei steht — aber das passiert nicht.“ Im Gegenteil: Die Beiräte hätten den Vorschlag abgelehnt, sich in dieser Weise zu binden. Doch die Anwesenden gaben nicht auf: Für dasselbe Geld könne man auch Wohnungen bauen — „ja, aber das dauert viel zu lange“.
Je später der Abend, desto gedämpfter die Stimmung: Schließlich, das war allen klar, ist politisch längst über das Wohnschiff entschieden — zuletzt am Mittwoch in der Deputationssitzung mit acht Ja-Stimmen, die CDU hatte sich nicht an der Abstimmung beteiligt, und Linnert war nicht anwesend. Auf die Frage „Was jetzt?“ bekamen die Anwesenden also keine Antwort von den Grünen, auf die Frage „Warum habt ihr kein Veto eingelegt?“ eine halbe: Man hätte dann auch tatsächlich aus der Koalition aussteigen müssen — und nicht nur drohen, so Linnert. Damit mochte sich das Publikum nicht zufrieden geben: „Heißt das, Ihr laßt Euch jetzt alles gefallen?“ cis
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