piwik no script img

Deutsche wurde wieder Deutsche – unter Vorbehalt

■ Absurd: Ausbürgerung zwecks Einbürgerung zwecks Ausbürgerung zwecks ...

Berlin. Deutsche wurde als Deutsche eingebürgert – dank der Absurditäten des deutschen Blut- und Abstammungsrechtes kann aus der Selbstverständlichkeit eine Nachricht werden. Jedenfalls im Falle der 21jährigen Schwesternhelferin Marija K., die ihre Staatsangehörigkeit verloren hatte und jetzt doch wieder zurückgewann – aber unter bürokratischen Vorbehalten, gegen die sie verstoßen muß.

Ihr Pech war, daß ihre Mutter zum Zeitpunkt ihrer Geburt in Berlin einen jugoslawischen Paß besaß und sich erst später einbürgern ließ. Vor drei Jahren sollte Marija K. Unterhalt bezahlen – für ihren deutschen Stiefvater, der ihre Mutter zwei Monate nach ihrer Geburt geheiratet hatte. Daraufhin ließ sie auf Anraten einer bezirklichen Rechtsberatung ihre Ehelichkeit gerichtlich anfechten. Marija K. wurde vom ehelichen zum nichtehelichen Kind. Nach dem „Reichs- und Staatsbürgerschaftsgesetz“ von 1913 aber kann in dem nichtehelichen Sproß einer Ausländerin nur ausländisches Blut fließen. Die für Marija K. völlig unerwartete Folge: Die Senatsverwaltung für Inneres forderte sie im Sommer 1991 auf, ihren Paß abzugeben, weil sie die deutsche Staatsbürgerschaft „zu keinem Zeitpunkt besessen“ habe. Wenig später teilte ihr die Ausländerbehörde mit, sie werde nunmehr unter Vorbehalt als Jugoslawin geführt – zu einem Zeitpunkt, als Jugoslawien schon zerfallen war. Die Innenbehörde bot ihr zwar die „erleichterte Einbürgerung“ an, aber nur, wenn sie zuvor wie üblich eine ausländische Staatsangehörigkeit erworben und diese wieder abgegeben habe: Ausbürgerung zwecks Einbürgerung zwecks Ausbürgerung zwecks Einbürgerung.

Nachdem die taz am 26.Januar über die scheinbar unauflösliche Klemme berichtet hatte, wurde die staatenlos in Absurdistan schwebende Marija K. zum kleinen Medienstar: Mehrere Fernsehsender luden sie zu Talkshows ein oder erzählten ihre Geschichte. Und plötzlich fand sich doch ein Weg: Die junge Frau durfte vor kurzem in ihrem Wohnbezirk Neukölln ihre Einbürgerungsurkunde in Empfang nehmen.

Allerdings nur unter einem gewichtigen Vorbehalt. Wiewohl den Beamten die Situation von Marija K. gut bekannt war, mußte sie folgende Erklärung unterschreiben, um ja nicht in den Verdacht des Besitzes der doppelten Staatsbürgerschaft zu geraten: „Hiermit verpflichte ich mich, nach meiner Einbürgerung hinsichtlich meiner evtl. anderen Staatsangehörigkeit eine Negativbescheinigung beizubringen bzw. die Entlassung oder den Verzicht aus meiner evtl. vorhandenen Staatsangehörigkeit zu bewirken.“ Wie aber soll sie eine Bescheinigung beschaffen über etwas, das sie nie besessen hat? Marija K. kann diese Verpflichtung nicht erfüllen. Wenn sie aber dagegen verstößt, wird ihr die deutsche Staatsbürgerschaft womöglich wieder aberkannt. Ute Scheub

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen