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Im Dunkeln ist gut munkeln

■ Warum die Rau-Sozis den WDR-Rundfunkrat wie eine Geheimloge abschotten

Düsseldorf (taz) – Die Rundfunkräte des Westdeutschen Rundfunks (WDR) sind sich in die Haare geraten. Unter den Sachwaltern von jährlich 1,4 Gebühren- Milliarden ist ein offener Streit darüber ausgebrochen, ob die 41 Mitglieder des WDR-Rundfunkrates zur Vertraulichkeit über ihre Gremienarbeit verpflichtet sind. Hinter diesem Konflikt verbirgt sich eine Auseinandersetzung zwischen der nordrhein-westfälischen SPD-Regierung und der vereinigten Landtagsopposition von CDU, FDP und Grünen, die den WDR längst auf dem Weg zum „Staatsrundfunk der Regierung Rau“ wähnen.

Die herkömmliche politische Gesäßgeographie gerät bei diesem Schlagabtausch bisweilen durcheinander: Linke Sozialdemokraten reden im WDR-Rundfunkrat der Geheimniskrämerei das Wort, während rechte CDU-Politiker im Stile einer Bürgerrechtspartei für Glasnost und Perestroika im Kontrollgremium von Europas größter Rundfunkanstalt eintreten. Schließlich, so argumentieren sie, sei der Rundfunkrat ein „Anstaltsparlament“, entsprechend transparent und öffentlich müsse seine Arbeit sein. Die Rau-Sozis dagegen möchten das Gremium gerne wie bisher im Stile einer Art Geheimloge führen.

Als der Vorsitzende des WDR- Rundfunkrates, Reinhard Grätz (SPD), in einer Sitzung die Mitglieder zu Beginn der sogenannten „Selbstverständnisdebatte“ ausdrücklich zur Vertraulichkeit verdonnerte, rastete CDU-Landtagsabgeordnete Renate Möhrmann aus: Sie fühle sich im WDR-Rundfunkrat „wie in einem totalitären Staat“. Dieses Gremium vertrete schließlich die Interessen der Bürgerinnen und Bürger, deshalb müßten die Diskussionen „öffentlich gemacht werden“, verlangte die Kölner Kunstprofessorin.

Dem SPD-Rundfunkrat Helmut Kuhne ist in der letzten Zeit schon zuviel aus den vertraulichen Rundfunkratsdebatten an die Öffentlichkeit gedrungen. Vor allem die jüngsten Indiskretionen über die ungenierte Einflußnahme sozialdemokratischer Rundfunkräte auf die Machart des WDR-Magazins „Westpol“ müssen den Genossen Kuhne gewurmt haben. In einer Rundfunkratssitzung schlug der SPD-Linienpolizist allen Ernstes vor, künftig „solche Veröffentlichungspraktiken zu outen“. Kuhnes Kalkül: Wenn Indiskretionen aus dem WDR-Rundfunkrat „das Risiko einer völligen Isolierung im Gremium nach sich ziehen würden“, werde sich das einzelne Mitglied „eher überlegen, wo der Nutzen das Risiko übersteigt“.

Bei soviel sozialdemokratischer Drohgebärde outete sich der Münsteraner CDU-Rundfunkrat Heinrich Ostrop gleich selbst. Er habe in der Vergangenheit „laufend gegen die rechtlichen Vertraulichkeitsregelungen“ im WDR-Rundfunkrat verstoßen, offenbarte Ostrup. Immerhin verstehe das Bundesverfassungsgericht den Rundfunkrat als „Sachwalter der Allgemeinheit“. Für den WDR-Rundfunkrat sei es längst an der Zeit, „mehr Demokratie zu wagen“. Diese kontroverse „Selbstverständnisdebatte“ des WDR-Rundfunkrats ist in einem 15seitigen vertraulichen Protokoll festgehalten, das der taz vorliegt. Welche Skurrilitäten die antiquierten Vertraulichkeitsregeln in dem WDR- Kontrollgremium heraufbeschwören, führte der CDU-Medienpolitiker Jürgen Rosorius den Rundfunkräten vor Augen: Es sei „ein unerträglicher Zustand“, wenn beispielsweise der in den Rundfunkrat entsandte Vertreter des Landessportbundes wegen der geltenden Vertraulichkeit nicht einmal seine Mitglieder darüber informieren könne, warum es beim WDR Vorbehalte gegen den Zweitrechteerwerb der Fußball- Bundesliga gegeben habe.

Für die Sozialdemokraten, die in allen WDR-Gremien seit Jahrzehnten aufgrund satter Mehrheiten das Sagen haben, sind dies alles keine schlagkräftigen Argumente, die Beratungen des WDR-Rundfunkrates öffentlich zu machen. Laut Protokoll will Grätz als Rundfunkratsvorsitzender an der „grundsätzlichen Nichtöffentlichkeit“ der Sitzungen strikt festhalten. Auch künftig sollen einzelne Tagesordnungspunkte ausdrücklich unter „Vertraulichkeit“ gestellt werden.

Dabei ist es bei den Genossen mit der Vertraulichkeit offenbar gar nicht so weit her. In der „Kommission für Medienpolitik“ beim Parteivorstand der NRW-SPD werden nach den Erkenntnissen der Landtagsopposition zwischen sozialdemokratischen Rundfunkräten, gewichtigen WDR-Hierarchen und führenden Beamten aus Raus Staatskanzlei regelmäßig WDR-Internas beredet. Mit dem WDR-Programmdirektor Hörfunk, Manfred Jenke, dem kürzlich vom WDR-Fernsehdirektor zum ARD-Programmdirektor aufgestiegenen Günter Struve und dem stellvertretenden WDR-Fernsehprogrammdirektor Michael Schmid-Ospach sitzen führende Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei Raus Medienberatern in der ersten Reihe. Geleitet wird das 39köpfige Parteigremium, wie praktisch, von dem WDR-Rundfunkratsvorsitzenden Grätz.

Nach Einschätzung der Landtagsopposition werden in dieser SPD-Kommission die wesentlichen Personal- und Programmentscheidungen im WDR ausgemauschelt, noch bevor sie überhaupt in den Rundfunkrat kommen. „Monitor“-Chef Klaus Bednarz beklagte bereits Ende der achtziger Jahre, daß Personalpolitik in dem Kölner Sender nach sozialdemokratischem Strickmuster gemacht werde.

Aufgeschreckt durch die massiven Interventionen der sozialdemokratischen Rundfunkräte gegen „Westpol“ verlangten die Grünen im Düsseldorfer Landtag von Ministerpräsident Johannes Rau im Wege einer parlamentarischen Anfrage Aufklärung darüber, wie häufig die SPD in den letzten Monaten auf das WDR-Programm Einfluß genommen habe. Vorsichtshalber antwortete Rau auf englisch: „Never!“ Johannes Nitschmann

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