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SPD-Mehrheit gegen „Kompromiß“ möglich

■ Interview mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Larcher vom linken Frankfurter Kreis

taz: Die CDU will am Asylrechtspaket nichts mehr ändern. Was nun?

Detlev von Larcher: In Ulli Kloses Gespräch beim Kanzler ging es vor allem um den Paragraphen 34a des neuen Asylverfahrensgesetzes. Hier hat die CDU gegenüber dem Asylrechstkompromiß vom 6. Dezember draufgesattelt. Der strittige Paragraph nimmt Flüchtlingen, die über sichere Drittstaaten zu uns kommen die Möglichkeit, vor einem Verwaltungsgericht Schutz gegen eine sofortige Abschiebung zu beantragen. Die SPD hat von Anfang an gefordert, daß hier den Flüchtlingen der Rechtsweg offen bleibt. Der Paragraph 34a ist ein Eingriff in die im Grundgesetz verankerte Rechtswegegarantie. Hier wird zum erstenmal in der demokratischen deutschen Rechtsgeschichte den Gerichten verboten, den Antrag von jemanden anzunehmen, der sich durch einen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt fühlt.

Daß Drittstaaten-Flüchtlinge „unabhängig vom eingelegten Rechtsbehelf“ abgeschoben werden können, sieht doch schon der neue Grundgesetzartikel 16a vor.

Um die Auslegung dieser Bestimmung geht es doch gerade. Die SPD hat sie immer so ausgelegt, daß ein von Abschiebung bedrohter Flüchtling hier im Inland ein Rechtsmittel einlegen kann. Ansonsten hätte ein Flüchtling keinen Schutz mehr, den etwa im sicheren Drittstaat die Zurückschiebung in sein Heimatland erwartet, wo ihm am Ende möglicherweise der Tod droht. Nach Auffasung der CDU kann ein solcher Flüchtling noch das Bundesverfassungsgericht anrufen. Aber das ist für den Einzelnen völlig unpraktikabel.

Aber schon der Asylkompromiß selbst will auf dem Landweg eingereiste Flüchtlinge unabhängig vom eingelegten Rechtsmittel abgeschoben sehen.

Ich habe den Asylkompromiß ja auch von vornherein abgelehnt. In der Verhandlung sind beide Seiten von tatsächlich sicheren Drittstaaten ausgegangen. Aber es kann eben doch Kettenabschiebungen geben. Um diese Fälle geht es.

Wie werden jetzt die Mehrheiten in der SPD-Fraktion sein?

Bei einem Nachgeben der CDU hätten auch viele skeptische Abgeordnete in der SPD-Fraktion für den Kompromiß gestimmt. Jetzt könnte es eine Mehrheit gegen den Kompromiß geben. Bei der Abstimmung im Bundestag ist allerdings kein SPD-Abgeordneter an die Entscheidung der Fraktion gebunden, weil es um einen weitgehenden Eingriff in das Grundgesetz, um eine Gewissensentscheidung geht. Das werden auch die Befürworter für sich in Anspruch nehmen und damit die Mehrheit für die Änderung sichern.

Mit dem Nachverhandeln ziert sich die SPD also nur noch, bevor sie das Asylrecht abschreibt.

Nein für viele Abgeordnete, wie Jürgen Schmude oder Hans-Jochen Vogel, ist dieser Paragraph 34a ein ganz wichtiger Punkt, auch für Ulli Klose. Man kann gespannt sein, was er nun in der Fraktion vortragen wird. Bisher rechnete man mit 80 bis 100 Neinstimmen in der Fraktion, jetzt werden es mehr werden. Ich selbst werde mit anderen in der Fraktion einen Alternativvorschlag zur Grundgesetzänderung vorlegen, der nicht von Länderlisten ausgeht, sondern auf die Schutzbedürftigkeit im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention abhebt. Die Zuwanderung muß gesteuert werden, aber auf rechtsstaatlich sauberem und humanerem Wege.

Der Asylkompromiß war also der entscheidende Fehler der SPD?

Unser entscheidender Fehler war es, nicht rechtzeitig ein umfassendes Zuwanderungskonzept vorzulegen. Dadurch sind wir gegenüber der üblen Hetzkampagne der CDU gegen die Asylbewerber in die Defensive geraten. Interview: Jürgen Voges

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