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Respektvoll zitiert

■ Neue Platten von Hamburgs Indies über die Musik, wie sie mal war

von Hamburgs Indies über die Musik, wie sie mal war

Der Playboy gibt Geld aus, für das er nicht gearbeitet hat und das ihm jene gönnen, denen er durch seinen Charme verklickert, daß er es jederzeit mit beliebigen Tätigkeiten hätte verdienen können. In Billy Moffett's Playboy Club sitzen Joe und Billy Moffett einander gegenüber und erzählen Geschichten, die überall spielen und nirgendwo sich ereignet haben. Zum dritten Mal kam das Duo für eine feucht-fröhliche Erzähltournee zusammen und nannte sein Unternehmen, weil es nach Sex und Dreck klingt, Juice.

Mit Männerchören, spanisch- südamerikanisch rockenden Gitarren und Liedern zum Mitsingen am Tresen der Tequila-Bar tun Joe und Billy, was Männer machen, wenn es

1nichts mehr zu erobern gibt: erzählen, wie es war. Moral von der aufgelegten Platte: Unterm Tisch wird weitergetrunken.

Wie die Genannten hat auch „The Perc“, Mitarbeiter der Firma Strangeways und Musiker die Angewohnheit, dort drauf zu pochen, wo keiner ihm widersprechen möchte. Im Gitarrenland zum Beispiel hat er sich einen Flecken gesucht, von dem aus lieber Rückschau gehalten als eine Beobachtung angestellt wird. Auf dem Sampler des Perc, The Return Of The Furious Swampriders versammeln sich der Gun Club, und die Hippy Young Things, Magnapop, die Kastrierten Philosophen, M. Walking On The Water und andere, wahrscheinlich, um unter sich zu sein.

1Die Vielfalt eines Genres namens „persönlicher Geschmack“ zu betonen ist im Falle des Perc ein heikles Unterfangen. Zum einen sind zwei Drittel der versammelten Gruppen schon zu ihrem Recht gekomen: Die Lorbeeren sind jeweils verteilt, was nicht bedeutet, daß alle nach dem Ehrengemüse auch die musikalische Marschrichtung teilen. Zum anderen klingt durch das Konzept, die von R.E.M., Stooges und Big Star Beeinflussten zu versammeln, der Trotz, den zu kurz Gekommenen zu ihrem Recht zu verhelfen. „The Perc“ und sein Gefolge hüllen sich in abstrakte Fragen, zum Beispiel: Was ist besser? Nordamerika oder die Zeit, als es noch keine Synthesizer gab?

Querköpfigkeit, Engagement, Ideen und die Fähigkeit, jederzeit zu musikalischen Querflügen ansetzen zu können, hat die Wiener Band More Extended Versions zu einer skurrilen Cover-Platte des skurrilen Musik-Genies Robert Wyatt geführt. Dedicated To You, But You Weren't Listening hat beim Hamburger Label Aus Lauter Liebe eine Heimat für denkende Musikfreunde gefunden. Christof Kurzmanns Stimme kann Wyatts sehr ähnlich sein, aber das ist sicherlich nicht der einzige Grund, warum hier eine fremdartig schöne Platte entstand. Vielmehr ist das Quartett bis in die feinnervigen Stellen des Wyattschen Geistes vorgedrungen und hat dadurch respektvolles Zitieren gelernt. ks/tlb

Billy Moffets Playboy Club, Juice, Strangeways/Indigo

Diverse, The Return Of The Furious Swampriders, Strangeways/Indigo

More Extended Versions, Dedicated To You, But You Weren't Listening, Aus Lauter Liebe/Indigo

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