: Schwarz-rotes Warmschießen
■ Alle gegen alle: Wie die CDU mit dem Mißtrauensvotum auf Regierungskurs geht
So richtig glaubt in der CDU eigentlich niemand, daß der Mißtrauensantrag gegen den grünen Umweltsenator Ralf Fücks am kommenden Mittwoch in der Bürgerschaft Erfolg haben wird. Neben den 32 CDU-Stimmen im Landesparlament muß die Opposition schließlich noch 19 Abweichler für ihren Antrag gewinnen, um auf eine Parlamentsmehrheit von 51 Stimmen zu kommen.
Zu den sechs Stimmen, die der CDU- Fraktionsvorsitzende Peter Kudella um sich versammelt haben will, gehören nämlich schon die beiden Unbekannten in der FDP, Peter Braun und Klaus Ziegler. Unterstellt, die beiden Liberalen ließen am Mittwoch ihrem Groll gegen Fücks freien Lauf, gesetzt außerdem, die rechten Gruppenmitglieder von DVU und Nationalkonservativen stimmen gegen den Umweltsenator: Es reicht immer noch nicht. Außerdem hat Peter Nennstiel bereits erklärt, daß er gegen den CDU-Antrag stimmen werde, also noch eine potentielle Stimme weniger.
So richtig traurig ist darüber aber niemand. Denn zur Zeit ist die Opposition im Bremer Parlament noch nicht so ganz sicher, wo der Hammer hängt. Da kursieren zunächst einmal schwarz-rote Senatslisten, auf denen unter einem Senatspräsidenten Wedemeier der Wirtschaftssenator und Bürgermeister Ulrich Nölle, der Innensenator Ralf Borttscheller und die Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Kunst Elisabeth Motschmann heißt.
Da wird dann Peter Kudella zum Bausenator und Helmut Pflugradt zieht in die Senatskanzlei ein, der Senator für Arbeit (und Frauen?) hieße dann auf einmal Michael Teiser.
Die Reaktionen in der CDU auf diese Liste reicht von Verkniffenheit bis zum sprachlosen Staunen. „Wer diese Liste aufgestellt hat, hat keine Ahnung“, sagt ein Fraktionär. Einer, der selbst auf der Liste steht, wollte noch nichts von seinem Glück wissen, andere wiederum leugnen so hartnäckig ihre Kenntnis, daß sie durchaus schon wieder als Autoren in Betracht kommen.
Eine Lobby-Liste. Zu wessen Nutz und Frommen? Auf jeden Fall gegen Bernd Neumann. Vom parlamentarischen Staatssekretär im Bundesforschungsministerium wird erzählt, daß er sich einen schicken Posten in Bremen für den Fall einer Wahlniederlage der Bundesregierung freihalten wolle. Möglicherweise neben Klaus Wedemeier: Die beiden kommen gut miteinander aus, sitzen auch schon mal im Nachtclub zusammen. 1994 wird in Bonn gewählt, 1995 in Bremen. Verliert Kohl in Bonn, ist Neumann ante portas und hätte bei Wedemeier schon mal einen kleinen Stein im sozialdemokratischen Brett. Aus diesem Grund soll Neumann auch bei der Abstimmung über das Opfer des Mißtrauensantrags für Fücks gestimmt haben.
Dann ist da noch das Zaudern des Sparkassen-Vorständlers Ulrich Nölle. Ein CDUler deutete es jüngst als Zögern vor dem Brudermord. Neumann hat Nölle als Spitzenkandidaten ausgegraben und bereits ein zweites Mal präsentiert. Im o.g. Kabinett hätte der Staatssekretär zwar mit Helmut Pflugradt einen Adlatus in der Senatskanzlei, mit allen übrigen CDU-Senatoren aber eine Meute profilierungswilliger Christdemokraten, die für 1995 den Sack in Sachen Regierungsbeteiligung zumachen wollen. Und zwar ohne Neumann.
Eine dritte Variante: Der Senat wird mit den beiden Mißtrauensvoten gegen Uhl und Fücks löchrig geschossen, bis der Bericht des Untersuchungsausschusses zur Billigstromaffäre vorliegt. Wenn dann mürrische Genossen auf dem Halbzeitparteitag auch noch ihrem Bürgermeister die Gefolgschaft verwehren (Wedemeier will ja wieder Spitzenkandidat werden), dann soll die dicke Berta nach dem Warmschießen in der nächsten Woche ein drittes Mal mit einem Mißtrauensvotum geladen werden, und zwar gegen Wedemeier selbst.
Erstaunt über soviel Regierungsphantasie zeigt sich Rosi Roland
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