Nebensachen aus Rom
: Settecentoquaranta

■ Italiens Sommerplage: die Einkommenssteuererklärung

Der Alptraum kehrt pünktlich alle Jahre wieder, zumeist im Mai, raubt Unternehmern den Schlaf, hindert Pärchen an der Zeugung und drängt für Wochen an den Espressobars sogar das Lieblingsgespräch über den Fußball in den Hintergrund. Der Alptraum hat keinen Namen, wohl aber eine Nummer: Settecentoquaranta, Siebenhundertvierzig.

Dabei kann die arme 740 gar nichts dafür – sie ist lediglich die siebenhundertvierzigste Ausgeburt bürokratischer Bewältigungsversuche für das, was der Staat von seinen Bürgern am Einkommen abzuzwacken gedenkt. Der Fragebogen trägt schlichtweg diese Formularnummer. Doch was anderwärts ganz unten kleingedruckt wäre, steht in Italien dicke ganz obenauf, umrahmt vom Staatssiegel und irgendwie drohend.

Ein ganzes Buch an Fragen taucht da auf, meist sechzehn, für manche mehr als 30 Seiten sind zu bearbeiten. Gefragt wird nach allen im Verfügungsbereich des Steuerpflichtigen befindlichen Telefonen, nach der Anzahl und Lage der Elektrozähler. Neben der Anzahl der Fernsehgeräte muß auch die Codenummer der jährlichen Rundfunkgebühren angegeben werden; Pferdebesitzer müssen sich ebenso bekennen wie Motorbooteigner. Für Immobilien muß der Eigentümer nicht nur die genaue Wohn- oder Gewerbefläche angeben, sondern auch, ob etwa ein Teil des Rasens zur agrarischen Nutzung vorgesehen ist.

Selbst der bis Anfang des Jahres amtierende Ministerpräsident Giuliano Amato, ehemals Haushaltsminister, mußte zugeben, daß er Schwierigkeiten mit den Fragen hat. Immerhin: Der neue Ministerpräsident Carlo Azeglio Ciampi, vordem Notenbankchef, hat versprochen, künftig einfachere Fragebögen herauszugeben – „vier Seiten müssen reichen“, hatte ihn sein Staatschef Oscar Luigi Scalfaro öffentlich angewiesen.

Die Satirezeitschrift Cuore hat daraufhin einer ihrer neuesten Nummern ein dem „740“ täuschend echt nachgemachtes Faltblatt beigelegt, das unter anderem – „konsequenterweise“– nach Augenfarbe, Nebenfrauen und Zahl von Einmachgläsern fragt. Das wiederum hat viele Bürger dazu gebracht, den fingierten Bogen auf Namen von Prominenten auszufüllen und an die Finanzämter zu schicken. Mit den Angaben des derzeitigen Verteidigungsministers bekamen die Finanzer geliefert: Name: Fabbri. Vorname: Fabio. Haarfarbe: weiß. Zahl der Haare: 345. Zahl der Augen: vier. Rückgrat: fehlt. Werner Raith