■ Das Portrait: Christian Welp
Die Scheinwerfer strahlen, die Mikrophone sind in die Luft gereckt, die Journalistenmeute drängelt. Audienz bei Christian Welp. Vor wenigen Minuten hat der Centerspieler vor 10.000 tobenden Zuschauern in der Münchner Olympiahalle den letzten Freiwurf gegen Rußland versenkt und damit Deutschland zum Europameister im Basketball gemacht. Was man da empfinde, wollen alle wissen, aber Welp hat nichts Spektakuläres mitzuteilen: „Viel Denken darf man in solchen Situationen nicht“, sagt er, wischt sich den Schweiß vom geröteten Gesicht und versucht alsbald, in die Kabine zu entschwinden. Er mißt 2,13 Meter, aber er ist kein Mann für die große Show.
Selbst seine Lehrzeit in den Vereinigten Staaten hat aus ihm keinen Entertainer machen können. Für Philadelphia, San Antonio und die Golden State Warriors hat der gebürtige Osnabrücker gespielt, aber in der amerikanischen Profiliga war die Konkurrenz größer als in Europa. Welp (29) kam selten zum Einsatz. 1990 ging er zurück nach Deutschland und spielt seither in der ersten Fünf des deutschen Meisters Leverkusen.
Eigentlich hätte Welp bei der EM gar nicht spielen sollen, in Endspiel genausowenig wie im Viertelfinale gegen Spanien, wo er mit einem Distanzwurf zwei Sekunden vor Schluß eine fast sichere Niederlage noch in einen Sieg umwandelte. Aus privaten Gründen kam er verspätet ins Trainingslager, Bundestrainer Svetislav Pesic, ständiger Streiter für Disziplin und Pünktlichkeit, wollte ihn aus dem Aufgebot streichen. Es bedurfte des persönlichen Einsatzes des deutschen Basketball-Präsidenten Manfred Ströher, um die teaminterne Disqualifikation aufzuheben.
Die Querelen hatten Spätfolgen. Beobachter der EM- Vorrunde in Berlin warfen Welp vor, nur halbherzig bei der Sache zu sein. Welp kam mit dem Bestreben nach München, es denen zu zeigen: „Zumindest ein gutes Spiel wollte ich machen.“ Es wurden drei überragende.
Center, 213 ZentimeterFoto: Ingo Kuzia
Der neue Held hat fürs erste genug von der Korbjägerei und wird im Urlaub dem Trubel entfliehen. Begeisterte Menschen bereiten Welp Unbehagen. Nach dem Spiel gegen Spanien war er eiligst in die Katakomben entfleucht: „Ich hatte Angst, daß die mich zerquetschen.“ Holger Gertz
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