: Ehemaliges RAF-Mitglied studiert
■ Oldenburger Nord-West-Zeitung outet Resozialisierungsversuch
Das wegen Beteiligung an der Entführung und Ermordnung von Hanns-Martin Schleyer im Oktober 1991 zu zehn Jahren Haft verurteilte ehemalige RAF- Mitglied Silke Maier-Witt studiert seit Anfang des Jahres als Freigängerin Psychologie an der Uni Oldenburg. Das meldete gestern die Oldenburger Nordwest- Zeitung und hat damit nach Ansicht des Sprechers des niedersächsischen Justizministeriums, Hauke Jagau, die Sicherheit von Maier-Witt „hochgradig gefährdet“. Jagau wollte keine Angaben machen, ob Maier-Witt besonders überwacht oder geschützt wird, wies aber darauf hin, daß Maier-Witt als Kronzeugin ausgesagt habe.
Die Entscheidung für die Erlaubnis des Studiums sei „nicht aus der hohlen Hand“ getroffen worden. Zugrunde liege der sogenannte Lockerungsparagraph 11 des Strafvollzugsgesetzes. Im Prinzip könne ein Häftling nach der Hälfte der Haftzeit Freigänger werden. Dies werde jedoch „immer im Einzelfall“ und „nach dem jeweiligen Fluchtrisiko“ entschieden.
Die notwendige Genehmigung erhielt Maier-Witt von der Justizvollzugsanstalt Vechta und dem niedersächsischen Justizvollzugsamt Celle in Absprache mit der Bundesanwaltschaft Karlsruhe. Das bestätigte Jargau am Freitag in Hannover. Nach Angaben des Bundesjustizministeriums ist der Fall Maier-Witt nicht Teil einer zusammenhängenden, auch andere Häftlinge der Roten Armee Fraktion betreffenden Maßnahme.
Neben Maier-Witt sind in der Region mindestens drei andere ehemalige RAF-Mitglieder im Rahmen ihrer Resozialisierung Freigänger. Betroffen seien allerdings nur die in der damaligen DDR untergetauchten Terroristen, meinte ein RAF-Anwalt. Seit Anfang der 80er Jahre hatten mindestens acht, möglicherweise zehn RAF-Mitglieder eine neue Existenz in der DDR aufgebaut. Die in Lübeck einsitzenden RAF-Mitglieder Irmgard Möller, Christiane Kuby und Hanna Krabbe erhielten nach Angaben des zuständigen Justizministeriums in der Vergangenheit „in wenigen Fällen“ unregelmäßig Freigang zu Beerdigungen und Arztbesuchen.
Der Leiter der JVA-Vechta, Ullrich Krenz, bezeichnete den Vorgang als eine im Rahmen des Strafvollzugs übliche Maßnahme. Maier-Witt habe in den 70er Jahren ein Psychologiestudium abgebrochen. Vor Studienbeginn hätten mehrere Beurlaubungen die Ernsthaftigkeit der Resozialisierungswünsche Maier-Witts untermauert, sagte Krenz. Auch Uni- Präsident Michael Daxner nannte das Studium einen „ganz normalen Vorgang“.
Silke Maier-Witt hatte seit 1980 unter den Namen Sylvia Beyer in der DDR gelebt und war im Sommer 1990 verhaftet worden. dpa
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen