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Urlauber büßen für ein Bonner Versäumnis

■ EG-Verordnung zum Schutz der Verbraucher wurde nicht verabschiedet

Der Graumarkt in der Reisebranche boomt. Denn das nach wie vor konjunkturfreudige Gewerbe verspricht eine schnelle Mark. Doch der Konkurrenzkampf ist hart und die Großen der Branche unterbieten sich mit Dumpingpreisen. Den Newcomern mit wenig Marktmacht und -anteilen im Rücken fällt es schwer, auf dem heißumkämpften Markt zu bestehen. Das Muskelspiel mit reißerischen Schnäppchen unter dem Einkaufspreis führt oft schnell ins finanzielle Abseits, den Konkurs. Die schwarzen Schafe, die in der Tat nur bei den Kunden abzocken wollen, um sich dann irgendwo für immer am heißen Strand niederzulassen, sind eher selten.

Der Rat der Branche „bei seriösen Veranstaltern zu buchen“, ist selbstgefällig und wenig hilfreich für den Verbraucher. Wie kann dieser schon wissen, ob der mittelständische Betrieb „Marlo-Reisen“ oder „MP Travel line" seriös ist oder nicht.

Der Schutz der Verbraucher darf nicht über den Markt geregelt werden, in dem wenige Großveranstalter das Sagen haben und sie als einzige Sicherheit garantieren. Der Verbraucherschutz muß im Reiserecht geregelt werden.

Eine entsprechende EG-Verordnung sichert Urlaubern bei Firmenkonkursen wie bei der „MP Travel line“ die Rückreise und die Erstattung für nicht erbrachte Leistungen. Doch die Bundesregierung hat es versäumt, diese EG- Pauschalreiserichtlinie zur Insolvenz-Absicherung der Reiseunternehmen zum 1. Januar 1993 in deutsches Recht umzusetzen, wie es die EG gefordert hatte. Für die Urlauber sind die Folgen fatal: sie sind nun finanziell nicht abgesichert.

Die Übernahme der EG-Richtlinie läßt auf sich warten, weil sich die Veranstalter untereinander nicht einig werden und sich die Politiker – von deren Lobby bedrängt – zu keiner Entscheidung durchringen. Dabei geht es um einen lächerlichen Preisaufschlag zwischen 1,30 und 3,80 Mark pro Reisenden. Die Großen wie TUI, NUR, ITS, LTT wollen sich keiner Branchenlösung anschließen, weil sie den von der Versicherung vorgeschlagenen Preisaufschlag pro Reisenden um 50 Pfennig unterbieten können. Deshalb sind sie nicht an einer gemeinsamen Lösung mit dem Mittelstand interessiert. Das von den Versicherungen vorgelegte Modell setzt jedoch die Teilnahme der Großveranstalter bzw. eine Marktabdeckung von insgesamt 60 Prozent voraus.

Die Politiker haben sich von diesem Konkurrenzgerangel in die Defensive treiben lassen. Statt das EG-Recht einzuführen, schauen sie tatenlos zu. Und wehren sich gegen den Ruf nach Entschädigung durch den Staat, wo doch Urlaub die privateste Sache der Welt ist. Doch in diesem Fall ist es legitim, den Staat für die versäumte Umsetzung der verbraucherfreundlichen EG-Reiserichtlinie haftbar zu machen. Der Europäische Gerichtshof gibt den geschädigten Urlaubern recht: er hat in einem ähnlichen Fall in Italien die Amtshaftung bestätigt. Gestrandete von der Algarve bis zur Atlantikküste vereinigt Euch und klagt den rechtmäßigen Verbraucherschutz ein! Edith Kresta

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