: „Schwarze Sheriffs“ im Abschiebeknast
„Pilotprojekt“ in Nordrhein-Westfalen: Private Sicherungskräfte sollen bewaffnet als Aufpasser in Abschiebehaftanstalten arbeiten / Ausbildungszeit: Eine Woche ■ Aus Düsseldorf Johannes Nitschmann
Trotz scharfer Proteste sozialer und kirchlicher Organisationen will der nordrhein-westfälische Justizminister Rolf Krumsiek (SPD) an seinen Plänen festhalten, in den Abschiebehaftanstalten des bevölkerungsreichsten Bundeslandes erstmals sogenannte „Schwarze Sheriffs“ privater Bewachungsunternehmen als Aufsichtspersonal einzusetzen. Nach den Angaben des Düsseldorfer Justizministeriums werden die ersten „Schwarzen Sheriffs“ bereits am Mittwoch ihren Dienst in dem aus Wohncontainern auf dem Gelände einer Polizeikaserne in Wuppertal-Lichtscheid errichteten provisorischen Abschiebeknast aufnehmen, in dem künftig rund 200 Häftlinge einsitzen sollen.
Bei diesem in der Bundesrepublik bislang einmaligen „Pilotprojekt“ mit privaten Gefängnisaufsehern, die angeblich erhebliche Kosten einsparen, will Minister Krumsiek „generelle Erfahrungen sammeln“. Bei einem „positiven Ergebnis“ denke er daran, auch in anderen Abschiebehaftanstalten private Bewachungsunternehmen einzusetzen. „Krumsiek hält die Lunte an ein Pulverfaß“, erklärte der stellvertretende Landesvorsitzende des Bundes der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands (BSBD), Wilhelm Bokermann, der Rheinischen Post. Die privaten Sicherungskräfte, die in der Regel eine Waffe tragen, würden in einem „hoheitlichen Bereich“ tätig und seien für den Vollzugsdienst nicht ausreichend ausgebildet. Nach taz-Informationen ist das für Wuppertal vorgesehene Personal ganze acht Tage auf die neue Tätigkeit vorbereitet worden.
Den Zuschlag für den nach Aussagen des NRW-Justizministers in der einschlägigen Branche der Privat-Sheriffs „sehr begehrten Auftrag“ hat der in Essen ansässige „Security Service Kötter“ erhalten. Krumsiek: „Ein qualifiziertes Bewachungsunternehmen“, das sich in der Vergangenheit bei der Sicherung verschiedenster Bundes- und Militäreinrichtungen bewährt habe. Als Referenz hat die Beamten im Düsseldorfer Justizministerium offenkundig die von der Essener Rambo-Truppe seinerzeit durchgeführte Sicherung der atomaren Wiederaufbereitungsanlage (WAA) Wackersdorf überzeugt. Für die „Schwarzen Sheriffs“ im Knast stellt Minister Krumsiek folgendes Anforderungsprofil: „Kein Ex-Stasi-Personal, keine Draufgänger, sondern menschlich aufgeschlossene Männer und Frauen, bei denen erwartet werden kann, daß sie für die Belange der Gefangenen ein offenes Ohr haben, möglichst Sprachkenntnisse.“ An der Verständigung in den Abschiebehaftanstalten hapert es heute bereits mit dem geschulten Vollzugspersonal. Nur selten stehen ausgebildete Dolmetscher zur Verfügung. Die gegenwärtig in NRW einsitzenden 599 Abschiebehäftlinge stammen aus über 40 Nationen. „Mit der Sprache, das ist ein Riesenproblem“, räumt Krumsiek-Sprecher Dieter Wendorf ein. Kirchliche und soziale Organisationen, wie der NRW-Flüchtlingsrat, beklagen, daß eine psychologische Betreuung der nicht selten selbstmordgefährdeten Häftlinge unter den herrschenden Bedingungen überhaupt nicht möglich sei. BSBD-Funktionär Bokermann: „Gerade Abschiebehäftlinge brauchen psychologische Betreuung.“
Krumsiek entgegnet auf die Kritik, die dramatische Finanzlage des hochverschuldeten Landes zwinge dazu, „neue Wege zu beschreiten“. Die Privat-Sheriffs würden „zum Pauschalpreis mit Mann-Stunden“ vom Land eingekauft; Fehlzeiten durch Krankheit und Urlaub decke das Unternehmen ab. Die Höhe der Einsparungen mochte der Minister jedoch nicht beziffern. Angeblich sind die Kompetenzen der „Schwarzen Sheriffs“ in den Knästen klar eingeschränkt und abgegrenzt. „Es ist sichergestellt, daß einzelne Maßnahmen, die unmittelbar in Grundrechte Dritter eingreifen, nur von Hoheitsträgern, also Justizbediensteten, angeordnet werden“, erklärt Krumsiek. Obwohl gegenüber Abschiebehäftlingen „ein Schußwaffengebrauch nicht zulässig“ sei, tragen die Privataufseher „soweit sie einen Waffenschein haben“, in der Regel eine Pistole. „Zur Eigensicherung“, sagt der Justizminister.
Der NRW-Flüchtlingsrat hat die Haftbedingungen in den Abschiebeknästen in einem Brief an das Düsseldorfer Justizministerium scharf kritisiert: „Da Beschäftigungs- und Arbeitsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stehen, kommt zu der tödlichen Langeweile noch der Mangel an Geld für die Erfüllung auch nur der kleinsten Wünsche. Die psychische Belastung der Häftlinge ist in keiner Weise vertretbar. Wir haben mehrfach den völligen Zusammenbruch der Persönlichkeit eines Menschen erlebt.“ Dagegen hat Minister Krumsiek ein gutes Gewissen. Die durchschnittliche Verweildauer sei immerhin von 39 auf 21 Tage reduziert worden. Im übrigen habe er bei seinen Knastbesuchen die Erfahrung gemacht, daß es den Leuten „in der Abschiebehaft, wo sie sich frei bewegen können, oftmals besser geht als in ihrem Heimatland“.
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