■ Stadtmitte: Schilder einer Ausstellung
Diesmal waren nicht aller guten Dinge drei, sondern nur das dritte Ding gut.
– Der Umzug des Abgeordnetenhauses aus dem voll funktionsfähigen Schöneberger Rathaus in den ehemaligen Preußischen Landtag kostete die BürgerInnen 170 Millionen auf der nach oben offenen Bausummenskala, das sind gut vier Jahre Schiller Theater oder 42 Jahre Berliner Symphoniker.
– Die Bürgerfete zur Einweihung mußte so zum Magneten für das notorische Jubelberlin werden, eine Mischung aus Jahrmarkt und Wahlveranstaltung. Gewußt, an welchem Fluß Prag liegt, und schon gab es einen CDU-Teddybären.
– Nun wird die Ausstellung für die Spurensucher nachgereicht über das Gebäude an der Niederkirchnerstraße, das nicht an diese junge kommunistische Partisanin erinnern soll und deswegen von der Präsidentin – entgegen einem Parlamentsbeschluß, als ginge es um ihre private Gartenlaube – ins postalische Niemandsland verlegt wurde.
Die Ausstellung belegt den meistgebrauchten Allgemeinplatz der Einzugsfeierlichkeiten: Dieses Haus atmet Geschichte, so wechselvoll wie wohl kein zweites in Berlin. Relativ langweilig gestaltet ist die Errichtungsphase, und es läßt nur ahnen, wieso Preußentum und preußisches Dreiklassenwahlrecht dazu führten, daß schließlich Karl Liebknecht auf dem Balkon inmitten revolutionärer Matrosen zu demonstrierenden Arbeitern redet – wie immer mit Binder und ohne jede „Übertragungstechnik“. Schon viel spannender ist die Zeit der Weimarer Republik, der Ort, an dem Konrad Adenauer Präsident der Zweiten Kammer war und die sozialdemokratische Braun-Severing-Regierung ihrer Entmachtung durch den Staatsstreich des Preußenschlages nur Hilflosigkeit entgegenzusetzen hatte. Als Folge konnte Göring im Lehrstück der Verschmelzung von Luftfahrtindustrie und nationalsozialistischem Staat aus dem Haus des „parlamentarischen Geschwätzes“ sein „Haus des Fliegers“ machen. Architektonisch, so würde wohl Jenninger sagen, ein Faszinosum an Brutalität und Rigorismus.
Die DDR hatte viel vor, brachte aber nur die vorgeschobene Stasi-Funküberwachung auf dem Dach zustande. Der Grund für beides: Die Lage war so unglücklich im dicksten Grenzbereich. Deshalb zog Grotewohl bald wieder aus und die Volkskammer gar nicht erst ein. Was wäre uns sonst auf der Spreeinsel erspart geblieben. Schließlich reicht es nicht einmal zur geplanten und beschlossenen Restaurierung des Festsaales, in dem die KPD gegründet wurde.
Ein Stapel Honecker-Bilder schließt diese Epoche der Ausstellung, die Dauereinrichtung werden sollte in einem Haus, das schließlich aus der Epoche der prachtvollen Treppenhäuser und langen Flure stammt. Beweist sie doch auch, daß ein Gebäude, das einst 432 Parlamentarier eines Flächenstaates von Tilsit bis Aachen aufnahm, nicht der historisch legitimere Ort für die 241 Volksvertreter von Hellersdorf bis Spandau ist. Der hätte im Roten Rathaus oder im Neuen Stadthaus gelegen. So braucht man kein Prophet zu sein, um vorauszusagen, daß eine Ausstellung, die auch den Größenwahn ihrer Auftraggeber nachweist, nicht von Dauer sein wird. Wolfgang Wieland
Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Grüne im Abgeordnetenhaus
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen