: Von Bussen und Clubjacken
PSV Eindhoven – Karlsruher SC 0 : 0 / Der Untergang eines alten Fußballreiches und die Visionen des „Großenkarlsruher SC“ ■ Aus Eindhoven Christoph Biermann
Jungens bleiben Jungens! Und wo zeigt sich das schöner als beim Fußball, dieser Wunderwelt aus Clubjacken, Bussen und Joghurt. Besonders an jenem späten, schon etwas kühlen Septemberabend, als man zusehen konnte, wie ein großes, altes Fußballreich unterging und ein neues entstand.
„Da werden jetzt einige in Karlsruhe wohl noch einmal im Videotext gucken müssen“, bemühte KSC-Trainer Winnie Schäfer die letzte Instanz in Informationsfragen, „dann werden sie sehen, daß wir es wirklich geschafft haben.“ Der ungerechtfertigte Elfmeter und Platzverweis für Manfred Bender im Hinspiel, über die in Karlsruhe soviel Heulen und Zähneklappern angehoben hatte, brauchten nicht mehr bemüht zu werden. Der kleine KSC hatte den großen PSV Eindhoven aus dem UEFA-Cup geworfen. Zwickt mich, ist das wahr?
Da störte es auch niemanden, daß der große Gegner beim ersten Auftritt des KSC im Europapokal eher ein Papiertiger war. Letztes Jahr in der Champion's League bereits nur Punktelieferant, ist der PSV Eindhoven in diesem Jahr endgültig ein Schatten vergangener Tage. Die Abgänge von Romario und Gerald Vanenburg konnten durch den Schweden Klaas Ingesson und den weit überschätzten Ghanaer Nii Lamptey nicht wettgemacht werden. Dann mußte Trainer Aaad de Mos auch noch Popescu, de Jong und Heintze ersetzen. Das reichte für den KSC zu einem unerwartet sicheren Erreichen der zweiten Runde des UEFA-Cups.
Die gegen Ende des Spiels zunehmend verzweifelt und hilflos gen KSC-Strafraum geschaufelten Vorlagen des PSC Eindhoven kamen fast nie an. Burkhard Reich verhinderte, daß Wim Kieft die Bälle dort weiter verteilen konnte, und Dirk Schuster sorgte dafür, daß Nii Lamptey überhaupt kein Mal zum Schuß kam. „Wir wollten, daß die Stürmer unseren Torwart nicht vor die Augen bekommen, und das ist uns gelungen“, meinte Schäfer. Rutschte doch mal ein Ball durch, putzte Michael Wittwer, die lebende Tipp-Kick-Figur, ihn einfach aus.
Im Grunde hatten die Karlsruher in ihrem besten Saisonspiel sogar die weitaus besseren Torchancen. Und wenn Edgar Schmitt, der jede Rasierwasserwerbung zieren würde, der überragende Sergej Kiriakov, Bonan oder Reich wenigstens einmal getroffen hätten, wäre den dreitausend KSC-Fans auch die einfachste aller Durchhalteparolen noch erspart geblieben. Doch so riefen sie zum Schluß immer häufiger und immer lauter: „Durchhalten, durchhalten!“
Aber dann war endlich Zeit für Clubjacken, Busse und Joghurt. Endlich konnte Winnie Schäfer wieder ansetzen, seine Vision vom „Großenkarlsruher Sport Club“, seinem Lebenswerk, zu verbreiten. Im Badischen, so meint der Trainer jedenfalls, wissen sie gar nicht, was sie an dieser Mannschaft haben. „Die sitzen im Garten, hören sich unser Spiel im Radio an, und wir spielen nebenan“, empörte er sich. Dann sind die Fans auch noch schnell ungeduldig, wenn es, wie in der bisherigen Saison, mal nicht so läuft. Dabei ist der KSC doch wer.
Und wer's nicht glaubt, kann es sehen (nicht auf Videotext diesmal!), denn extra zum Europapokal hat man jetzt KSC-Clubjacken angeschafft, dunkelblau mit goldenen Knöpfen und dem Vereinsemblem auf der Brusttasche. „Und einen eigenen Bus haben wir jetzt auch. Da steht unser Name drauf und der von unserem Sponsor“, verkündete Schäfer, und seine Augen leuchteten wirklich. „Favorit der Joghurt Bundesliga“, liest man dort übrigens auch noch. Aber das kann den Visionär nicht schrecken. „Für diesen Bus und diese Jacken habe ich gekämpft. Das ist eines UEFA-Cup-Teilnehmers würdig. In diesen Bus will man rein. Man will dazugehören. Das bedeutet was. Um das Gefühl zu erreichen, dafür habe ich gearbeitet.“ Und es war Winfried Schäfer so ernst, daß er seine heißgeliebte Lederjacke ausgezogen und sich sogar selber in Schale geworfen hatte.
Die erwachsenen Herren in den KSC-Clubjacken applaudierten ob solcher Rede immer wieder. Aber an diesem Abend hätte der Vereinsvorstand auch Schäfers Wunsch nach einem Glas Wasser mit Ovationen begrüßt. Und wie gut sie in ihren tollen Clubjacken aussahen! Blöd, aber toll. Ich will auch eine! Danke Fußball, daß wir nie erwachsen werden müssen.
Europapokal der Landesmeister Croatia Zagreb - Steaua Bukarest 2:3
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