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Gentherapie auf dem Vormarsch

Erste Erfolge bei der Gentherapie von Cystischer Fibrose / Wissenschaftler konnten bisher keine Risiken entdecken / US-Komitee genehmigte jetzt weitere Versuche am Menschen  ■ Von Ludger Weß

Die Gentherapie als neue Methode der Medizin wird durch die Ergebnisse von genetischen Manipulationen an drei Patienten mit Cystischer Fibrose (CF) neuen Aufschwung erhalten. Der biochemische Defekt, der diese Krankheit auslöst, wurde bei den Patienten in kleinen Gewebebezirken erfolgreich korrigiert.

Wissenschaftler des Howard Hughes Medical Institute, der Universität von Iowa und der Genzyme Corporation haben dieses Ergebnis auf dem Jahrestreffen der nordamerikanischen Cystische Fibrose Gesellschaft in Dallas bekanntgegeben.

Hervorgerufen wird CF durch einen genetischen Defekt, der den Wasser- und Salztransport in der Schleimhaut des sekretorischen Gewebes beeinträchtigt. Besonders betroffen sind dabei die Lungen. Normalerweise bleibt der dort produzierte Schleim flüssig, weil die Zellen der Atemwegsauskleidungen durch kleine Poren, die sogenannten Chlorid-Kanäle, Chlorid-Ionen absondern. Bei CF- Kranken ist das Gen, das für die Bildung dieser Poren sorgt, defekt. Da keine Chlorid-Ionen aus den Zellen ausgeschleust werden können, wird der Schleim trocken, fest und zäh und verliert seine Fähigkeit, vor Infektionen zu schützen. Die Patienten haben neben massiver Behinderung der Atmung mit häufigen Infektionen zu kämpfen, die nach und nach die gesamte Lunge zerstören.

Es gibt neben einer Diät und physiotherapeutischen Maßnahmen, die den Patienten dabei helfen, den zähen Schleim aus den Atemwegen zu entfernen, bisher nur die Möglichkeit beständiger Antibiotika-Therapie gegen die häufigen Infektionen. Medikamentöse Therapien befinden sich noch immer in der Erprobungsphase.

Die jetzt bekanntgewordenen Ergebnisse sind die ersten Resultate der Phase I der klinischen Erprobung, bei der es primär darum geht, die Sicherheit der neuen Therapie zu ermitteln. Die nächste Phase wird sich auf die klinische Wirksamkeit konzentrieren. Nach Ansicht der beteiligten Wissenschaftler ist aber bereits jetzt erwiesen, daß die Korrektur des genetischen Defekts am Menschen prinzipiell möglich sei, und zwar ohne Nebeneffekte. Bislang war nur im Tierversuch an Baumwollratten gezeigt worden, daß das Gen in Lungenepithelzellen eingebaut wird und dort vorrübergehend für etwa sechs Wochen aktiv ist.

Das Forscherteam benutzte ein vermehrungsunfähig gemachtes Adenovirus, um das normale Gen für die Bildung der Chlorid-Kanäle in Zellen der Nasenschleimhaut einzuschleusen. Das Virus wurde auf eng begrenzte Flächen der Nasenschleimhaut aufgebracht.

Einige Zeit danach wurden in diesen Arealen elektrische Messungen vorgenommen, um zu prüfen, ob die Chlorid-Kanäle normale Aktivitäten zeigten. Bei allen drei Patienten wurden in der Tat normale Werte gemessen.

„Wir haben uns entschieden, das genetische Material auf die Nasenschleimhaut aufzubringen, weil sie der Auskleidung der Lungen am ähnlichsten ist, und weil wir, falls es dort zu nachteiligen Effekten käme, den Patienten nicht gefährden würden“, so der Leiter des Teams, Michael Welsh. „Ziel dieser Studie war es, herauszubekommen, ob der biochemische Defekt der Cystischen Fibrose korrigiert werden kann, und nicht, ob wir die Krankheit behandeln können“, so Welsh. „Die Studie legt die Grundlage für weitere Tests, ob die Gentherapie klinische Verbesserungen für die Patienten bringen kann.“

Cystische Fibrose ist die zweit häufigste tödlich verlaufende Erbkrankheit. Etwa eines von 2.000 Neugeborenen ist betroffen. Wegen der Häufigkeit besteht an einer Gentherapie auch großes kommerzielles Interesse . Die Isolierung des CF-Gens ließen sich Wissenschaftler des Kinderkrankenhauses Toronto und der Michigan University 1989 noch vor der Publikation ihrer Ergebnisse patentieren. Ein britischer Arzt, der das Gen zu diagnostischen Zwecken verwandte, erhielt vor kurzem eine Zahlungsaufforderung über 6.000 Pfund.

Problematisch ist die Therapie mit Adenoviren aus mehreren Gründen. Noch ist beispielsweise unklar, welche Zellen verändert werden müssen, damit die Therapie Erfolg zeigt. Vor allem aber besteht das Risiko, daß das Adenovirus das Gen auch auf andere Organe oder sogar auf andere Menschen überträgt. Eine Überdosis des normalen Gens oder seines Produktes könnte verheerend sein: Eine doppelte Kopie des normalen Gens auf einem Chromosom führt nämlich, so die Erkenntnisse einer kanadischen Arbeitsgruppe, ebenso zur Ausbildung der Krankheit wie das Vorhandensein eines defekten Gens. Zwar wurden entschärfte Adenoviren verwendet, denen zuvor die für ihre Vermehrung nötigen Gene entfernt wurden, aber es besteht die Möglichkeit, daß diese fehlenden Gene als Relikte überstandener Infektionen im Lungengewebe noch vorhanden sind und so die Virulenz der Erreger wiederherstellen – mit bislang unbekannten Folgen.

Zudem stehen diesen Risiken trotz aller weitgespannten Hoffnungen – der Präsident der Nordamerikanischen Cystische-Fibrose-Vereinigung stellte bereits 1990 die Auflösung der Verbandes zum Ende dieses Jahrzehnts in Aussicht – nur geringe Erfolgsaussichten gegenüber: Selbst wenn es gelänge, die Gene erfolgreich in die Zellen einzuschleusen und die Fähigkeit zum Chloridtransport wiederherzustellen, so wäre dieser Therapieerfolg doch nur von kurzer Dauer. Die Zellen sterben nach einigen Wochen ab, und die Therapie müßte daher nach spätestens einem Vierteljahr wiederholt werden. Je öfter das geschieht, desto größer ist allerdings auch die Wahrscheinlichkeit, daß sich eine Immunität gegen die verwendeten Adenoviren herausbildet.

Dennoch hat das amerikanische Recombinant DNA Advisory Committee weitere Phase-I-Erprobungen für die Behandlung der Cystischen Fibrose genehmigt.

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