■ Sinti und Roma alleingelassen: Zigeuner ohne Lobby
Ein Mahnmal wird kommen – aber nur eines für die ermordeten Juden Europas und explizit nicht für die ermordeten Roma und Sinti. Dem Förderkreis ist dies nicht anzulasten. Es ist ausschließlich der Bundesregierung und dem Senat vorzuwerfen, daß sie die ausgrenzenden Ideen des Förderkreises sich zu eigen gemacht haben und sie mit Grundstücksvergabe und Kostenbeteiligung unterstützen. Nach jahrzehntelanger Untätigkeit fiel ihnen eigenes nicht mehr ein. Die berechtigten Forderungen des Zentralrats der Roma und Sinti wehrten sie mit einem Schulterzucken ab. Statt selbst zu entscheiden – bei der Neuen Wache ging dies schließlich blitzschnell –, empfahlen sie dem Vorsitzenden Romani Rose, sich doch mit den Juden direkt zu einigen.
Das Resultat der bundesrepublikanischen Indifferenz ist ein bitterer Streit zwischen den einst verfolgten Juden und den einst verfolgten Roma und Sinti. Ignatz Bubis will aus historischen und religiösen Gründen ein exklusives Mahnmal-Museum für die Juden, und Romani Rose will, damit das Leid seines Volkes nicht vergessen wird, indirekt ein gemeinsames, nämlich eine gestalterische Verbindung. Um dies durchzusetzen, trickst er, spielt eine Institution gegen die andere aus und erfindet Fakten, die keine sind. Der Streit zwischen den beiden fand vor zwei Wochen seinen Höhepunkt in Jerusalem. Ignatz Bubis weigerte sich, gemeinsam mit Romani Rose einen Kranz in der Trauerstätte Yad Vashem niederzulegen. Zugegeben: „Der Zigeuner“ (so Bubis in der israelischen Tageszeitung Haaretz) argumentiert nicht seriös und ist auch sonst ein umstrittener Mann. Aber was bleibt ihm eigentlich übrig, wenn die Bundesregierung ihre Entscheidungskompetenz nicht wahrnimmt, ein zweites Gelände nicht zur Verfügung stellen will und den Opfern empfielt, sich selbst zu einigen? Weil die Juden keine Erinnerungspartnerschaft wollen, steht das Ende des Streites jetzt schon beinahe fest: nämlich kein Mahnmal für die ermordeten Roma und Sinti. Denn Zigeuner haben keine Lobby, nicht einmal unter den ehemaligen Leidensgenossen. Anita Kugler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen