: "Bärendienst" für Mieter
■ Mietenspiegel soll doch noch erscheinen / Deutliche Erhöhungen befürchtet Von Sven-Michael Veit
Die Bescherung bleibt auch dieses Jahr nicht aus: „Ende November oder Anfang Dezember“ wird der neue Hamburger Mietenspiegel veröffentlicht werden. Das kündigte gestern Baubehörden-Sprecher Jürgen Asmussen gegenüber der taz an. Es seien noch „einige interne Vorgänge zu klären“, so Asmussen, ohne ins Detail gehen zu wollen. Schließlich wolle man „was Ganzes und nichts Halbes“ abliefern.
Ursprünglich war die Veröffentlichung des Mietenspiegels bereits für Oktober erwartet worden. Dies hatte sich aufgrund der Hamburger Neuwahlen jedoch verzögert. Vermutungen, der Mietenspiegel würde wohl erst im nächsten Jahr – nach Bildung eines neuen Hamburger Senats – von der Baubehörde publiziert werden, entbehren jedoch, so Asmussen, jeder Grundlage: „Mit der Dauer oder dem Ausgang der Koalitionsverhandlungen hat das rein gar nichts zu tun“.
Der Mietenspiegel, eine empirische Erhebung der am Stichtag 1. April dieses Jahres tatsächlich gezahlten Mieten in der Hansestadt, wird von der Baubehörde erstellt. Beraten wird diese von einem Arbeitskreis, dem VertreterInnen von Vermieter-, Mieter- und Maklerverbänden sowie Mietrichter und ein Mitarbeiter des Hamburger Datenschutzbeauftragten angehören. Der zur Zeit gültige Mietenspiegel datiert aus dem Jahr 1991 und gilt inzwischen als inaktuell.
Mit einem „lachenden und einem weinenden Auge“ betrachtet Achim Woens, Geschäftsführer des „alternativen Mietervereins“ Mieter helfen Mietern (MHM), der erstmals Vertreter in den Arbeitskreis entsenden durfte, die Verzögerung. Vor allem Grundeigentümer und Vermieter würden „händeringend“ auf die Veröffentlichung warten, um eine Grundlage für Mieterhöhungen zu haben. Woens befürchtet Steigerungen „deutlich über der Inflationsrate“, und die liegt nach Bundesbank-Angaben bereits bei gut vier Prozent. MHM stellt sich, so Achim Woens, bereits „auf eine Welle von zusätzlichen Beratungsgesprächen“ ein.
Andererseits sei auch dafür der neue Mietenspiegel eine wichtige Basis, da zum Beispiel Fälle von Mietpreisüberhöhungen und Wucher nicht mehr auf der Grundlage der veralteten '91er Daten juristisch einwandfrei beurteilt werden können. Denn das ist die „gute Seite“ des Mietenspiegels: Ohne dieses Steuerungsinstrument besteht die Gefahr, daß sich Vermieter – wie in der Vergangenheit üblich – für Mieterhöhungen auf Vergleichswohnungen stützen. Von Gerichten würden im Klagefall dann Gutachten angefordert werden – und die Gutachter sind meist Makler...
Insofern ist Achim Woens „durchaus etwas ärgerlich über die Hinhaltetaktik“ der Baubehörde. Zumindest sei er, obwohl Mitglied des Arbeitskreises, bislang „mit keinem Wort“ über die Gründe für die Verspätung informiert worden.
„Die Spielräume für mieterfreundliche Ergebnisse waren enger als gedacht“, so das ernüchterte Fazit von MHM-Jurist Jürgen Twisselmann, der ebenfalls dem Arbeitskreis angehört. Er mußte feststellen, daß sich die Einflußmöglichkeiten „auf sehr feine und teilweise sehr technische Detailfragen beschränken“.
Grund dafür sei der Anspruch, einen Mietenspiegel zu erarbeiten, der vor Gerichten Bestand habe. Auch Baubehörden-Sprecher Asmussen sieht das Erfordernis, „daß der Mietenspiegel allseits respektiert werden muß, auch von den Gerichten“. Sonst sei er „wertlos“ und würde niemandem dienen.
In diesem Punkt gibt es keinen Dissens zwischen Mieterverein und Baubehörde: Für MieterInnen, so Twisselmann, „ist ein mieterfreundlicheres Ergebnis, das von Gerichten nicht akzeptiert würde, ein Bärendienst“.
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