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Ein Gefallen für Ankara

Nach dem Verbot der Arbeiterpartei Kurdistans PKK und 35 weiterer Vereine befürchten kurdische ImmigrantInnen Hetze, Kriminalisierung und Massenabschiebungen in die Türkei. Das Bundesinnenministerium schließt letzteres nicht aus.

„Seid Ihr Kurden?“ – Die mißtrauische Frage kennen kurdische Gruppen zur Genüge. „Erst wenn wir versichern, daß wir nicht von der PKK sind, haben wir überhaupt eine Chance, gehört zu werden – ganz egal, ob es um Räume für unseren Folkloretanz oder um andere Unterstützung geht“, sagt ein Sprecher des Berliner „Kultur- und Hilfsvereins Kurdistan“. Sein Verein gehört zu „Komkar“, einer Dachorganisation kurdischer ImmigrantInnen in Deutschland, die bewaffnete Anschläge grundsätzlich verurteilt und mit der PKK nur das Kurdischsein gemeinsam hat.

Seit gestern ist die Lage für KurdInnen in Deutschland noch schwieriger geworden. Denn das Verbot der hierzulande offiziell gar nicht existierenden Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und 35 Vereinen, die ihr angeblich nahestehen, legt nahe, daß KurdInnen gefährlich sind. Von dem Verbot betroffen sind unter anderem die Berxwedan-Verlags GmbH, die zahlreiche Bücher über die Lage der KurdInnen in der Türkei publiziert, das Kurdistan Komitee das regelmäßig in Presseerklärungen über den Krieg im Südosten der Türkei informiert und zahlreiche Arbeiter- und Kulturzentren in beinahe allen alten Bundesländern.

Sie alle verletzen nach Ansicht von Manfred Kanther Strafgesetze, „richten sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung“ und „gefährden die innere Sicherheit und die öffentliche Ordnung in Deutschland“.

Tausende KurdInnen ohne Organisation

Obwohl jeder einzelne verbotene Verein eine unabhängige Satzung hat, will der Bundesinnenminister herausgefunden haben, daß es eine „zentrale Steuerung der Anschlagswelle durch die PKK und ihrer Teil- und Nebenorganisationen“ gibt. Der Charakter kurdischer „Gewalttaten“, ihre Gleichzeitigkeit an verschiedenen Orten, die große Zahl der Beteiligten und die Flugblätter und Aufrufe belegten diesen Verdacht. Für die 400.000 bis 600.000 KurdInnen in Deutschland – ihre Zahl ist unbekannt, da ihre Nationalität weder im Herkunftsland Türkei noch in der Diaspora erfaßt wird – ist mit dem Verbot die wichtigste organisatorische Referenz illegal geworden.

VerfassungschützerInnen gehen von 4.000 bis 6.000 organisierten Mitgliedern der jetzt verbotenen Vereine aus. Doch die Zahl der SympathisantInnen schätzen sie auf rund zehn Prozent der KurdInnen in Deutschland. Bei Solidaritätsdemonstrationen mit dem „bewaffneten kurdischen Befreiungskampf“ kommen bis zu 40.000 Menschen zusammen. Alle anderen kurdischen Gruppen nehmen sich neben den PKK-nahen Organisationen winzig aus – auch nach eigener Einschätzung. Die Maßnahme betrifft damit mehr Menschen als irgendein vorausgegangenes Verbot ausländischer Organisationen in Deutschland.

Erst nach dem 4.November, als es zeitgleich mehrere kurdische Anschläge in Europa gab, bei denen ein Türke in Wiesbaden ums Leben kam, änderte Kanther seine Politik gegenüber der PKK. Zuvor hatte das Innenministerium stets darauf hingewiesen, daß ein Verbot die PKK lediglich in den Untergrund drängen, das Problem aber nicht lösen würde. Nach der Anschlagsserie wollte auch Kanther verbieten – aber nur in Absprache mit den Nachbarstaaten. Eine Absprache hat es inzwischen offenbar gegeben: Auch die französische und die belgische Polizei machten in den letzten Tagen große Razzien gegen die PKK. Ein Verbot steht dort jedoch nicht an.

Für die PKK geht mit Deutschland die wichtigste legale Auslandsbasis verloren. Einen Kommentar dazu wollte der Sprecher des europäischen Kurdistan-Komitees in Brüssel nicht abgeben. Heftige und eindeutige Kritik kam hingegen von zahlreichen anderen linken und Menschenrechtsorganisationen. So befürchtet Pro Asyl, daß nun eine „Hetze und Kriminalisierung“ von kurdischen Gruppen einsetze, der eine massive Abschiebungswelle unliebsamer KurdInnen in die Türkei folgen könne. Der Sprecher des Bundesinnenministeriums wollte Abschiebungen gegenüber der taz nicht ausschließen. Wer verbotenen Gruppen angehöre oder sie unterstütze, mache sich strafbar und könne abgeschoben werden, sagte er.

Die weiterhin legale Komkar nennt das Verbot einen „Gefallen“, den Bonn dem türkischen Staat getan hat. Es ermutige Ankara, „auch gegen andere Kurden gewaltsam vorzugehen“. Statt die PKK zu verbieten, solle Bonn endlich auf Einhaltung der Menschenrechte in Ankara pochen und seine engen Beziehungen an den Bosporus als Druckmittel nutzen.

Trotz Verbot erwartet niemand ernsthaft, daß nun 40.000 KurdInnen in Deutschland in den Untergrund gehen. Zunächst besteht die Möglichkeit, gerichtlich gegen das Verbot vorzugehen. Sollte das nicht fruchten, können sich neue Vereine mit neuen Satzungen gründen. Innenminister Kanther besaß gestern die Stirn, sein Verbot als Chance für Aussteiger darzustellen. Er schlug ihnen vor, sich „vertrauensvoll an die Sicherheitsbehörden zu wenden“. Polizei und Justiz seien in der Lage, sie wirksam zu schützen. Dorothea Hahn, Berlin

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