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Treuhand zahlt für Langfinger

15-Millionen-Defizit der betrogenen Thüringischen Faser soll ausgeglichen werden / Arbeitsplätze zunächst für ein halbes Jahr gesichert / Endlich gute Chancen für Privatisierung  ■ Von Ulrike Fokken

Gera/Berlin (dpa/taz) – Bei der Thüringischen Faser AG bleiben bis zum Sommer 1994 vorerst 2.000 Arbeitsplätze erhalten. Dies entschied gestern die Gläubigerversammlung vor dem Amtsgericht in Gera. Somit kann die Produktion bei der durch Treuhand und Investoren stark gebeutelten Firma die nächsten sechs Monate weiterlaufen. Immerhin muß wegen eines Betrugsfalls bei dem größten Chemieunternehmen Thüringens ein Verlust von 15 Millionen Mark ausgeglichen werden.

Michael Klughardt aus der Presseabteilung der Staatskanzlei sagte gegenüber der taz: „Wir freuen uns natürlich darüber, daß die Summe von der Treuhand kommt.“ Offiziell wird das Defizit aber von der Landesregierung übernommen. Die Landesregierung hatte immerhin mehrmals gefordert, daß die Treuhand die Faser AG zurücknehme. Bislang ist dies aber noch nicht geschehen.

Die Faser AG wird seit 31. August 1993 von Konkursverwalter Winfred Andres verwaltet. Gekommen war es zu dem Fiasko, nachdem die malayische 21st Century Oil das Unternehmen von der Treuhand erworben hatte. Diese Firma sowie deren indische Mutter, die Dalmia-Gruppe, hatten im Februar 1993 selbst Konkurs angemeldet. Die neun Millionen Mark Investitionshilfe der Treuhand gingen dafür drauf. Das Geld der deutschen SteuerzahlerInnen hatten die Dalmia-Brüder auf ein Konto in Kuala Lumpur überwiesen, wo es bis heute als Sicherheit für die malayische Bank festgehalten wird.

Als in diesem Sommer der Schwindel aufgeflogen war, verteidigte der für den Chemie-Bereich zuständige Controller der Treuhand, Gert Goelke, den Verkauf an die Dalmia-Gruppe trotzdem. Alle Nachforschungen über Liquidität und Zuverlässigkeit der Inder hätten positive Ergebnisse gehabt. Dalmia sei außerdem der einzige Interessent gewesen. Um das Chemieunternehmen noch attraktiver für die Investoren zu machen, hatte die Treuhand vor dem angepeilten Verkauf noch ordentlich Geld in die Firma gepumpt: Mit einer Summe in dreistelliger Millionenhöhe seien die Schulden gedeckt worden. 40 Millionen Mark wurden als Grundkapital eingezahlt.

Die Alternative zum En-gros- Verkauf an die Dalmia-Gruppe war die Zerschlagung der Faser AG in kleinere Firmen. Genau das wird ab Juni 1994 geschehen. Dann sollen aus dem Unternehmen mehrere Firmen gemacht werden, die in einer Auffanggesellschaft zusammengefaßt sind. Die Dalmias haben sich in der Zwischenzeit nach Indien abgesetzt und können dort der Dinge harren. Das Strafverfahren gegen sie läuft, ein internationaler Haftbefehl könnte erlassen werden.

Gegenüber der taz äußerte sich Konkursverwalter Andres sehr positiv über die heutigen Verhandlungen. „Ich sehe gute Chancen, über den 30. Juni hinaus hier weiterzuproduzieren. Die Gespräche darüber sind weit gediehen.“ Das Land Thüringen sei „mit drin in den Gesprächen“, der Ministerpräsident habe „das Thema an sich gerissen“. Die Treuhand habe sich aus den „Verhandlungen zurückgezogen“.

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