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Intifada der israelischen Siedler

Aufgebrachte Israelis blockierten in der Westbank mit brennenden Reifen Straßen / Besatzungstruppen verjagten Journalisten / Siedler wollen eine eigene Sicherheitstruppe gründen  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Nach der Ermordung zweier Israelis in der Westbank probten dort gestern am frühen Morgen israelische Siedler den Aufstand. Auf den Hauptverkehrsstraßen errichteten sie Straßensperren aus brennenden Autoreifen. Die Blockaden hinderten Tausende Palästinenser daran, rechtzeitig zu ihren Arbeitsplätzen in den besetzten Gebieten oder im israelischen Kernland zu kommen. In Jerusalem marschierten rechte und religiöse Jugendliche durch das Stadtzentrum und skandierten Parolen gegen das „Gaza-Jericho-Abkommen“ der israelischen Regierung mit der PLO-Führung.

Die Siedler reagierten auf den Tod der israelischen Lehrerin Schalwa Ozana (24) und des Siedlers Jitzhak Weinstock (19) am Mittwoch. Die Lehrerin, die im Kindertgarten der Siedlung Betel arbeitete, und ihre drei Begleiter waren von Unbekannten beschossen worden, als sie in der Westbank eine Wagenpanne beheben wollten. Ozana starb noch am Ort des Attentats, Weinstock gestern im Krankenhaus.

Die israelischen Besatzungstruppen vermieden gestern jede Konfrontationen mit den Siedlern. Statt dessen verjagten sie Journalisten, von den Schauplätzen. Die Siedler hatten vorher zugesagt, die Straßen bis acht Uhr früh wieder befahrbar zu machen.

Führende Siedler in der Westbank drohten, ihre gegen die israelische Regierung gerichteten Aktionen würden jetzt größere Ausmaße annehmen. Für den Fall, daß die Verhandlungen mit der PLO nicht eingestellt würden, kündigte der Bürgermeister der bei Jerusalem gelegenen Siedlung Maaleh Adumim, Benni Kaschriel, einen „Bürgerkrieg“ an, „in dem Juden gegen Juden kämpfen“. Kaschriel bezeichnet sich selbst als „gemäßigter Siedlerführer“.

Der israelische Militärkommandant Nehemia Tamari bestellte den Sprecher des Rates der Siedler in den besetzten Gebieten, Jechiel Leiter, ein, um die Siedler zur Mäßigung zu bewegen. Leiter erklärte jedoch nach dem Gespräch triumphierend, die israelischen Militärs glichen „der geschlagenen britischen Armee im Jahr 1948.“ Damals waren die den Israelis unterlegenen Briten abgezogen.

Landwirtschaftsminister Jakov Tzur warf den Siedlern vor, jeden palästinensischen Anschlag auszunutzen, um die Friedenspolitik der Regierung zu stören. Der stellvertretende Verteidigungsminister Motta Gur rügte die „Hysterie der Siedler“. Die Erklärungen lösten bei den Siedlern besonderen Ärger aus, weil Gur und Tzur in der Arbeiterpartei bisher zu den siedlerfreundlichen „Falken“ zählten. Politiker der rechten Oppositionsparteien beschuldigten die Minister, „die jüdischen Siedler den Kugeln und Messern der arabischen Mörder auszuliefern“.

Insgesamt 40 Oppositionsparteien, rechte und religiöse Gruppen und Siedlerorganisationen haben für Montag zu einem Kongreß in Tel Aviv aufgerufen. Sie wollen dort einen Verein mit Namen „Hatikva“ (die Hoffnung) gründen, der die israelische Öffentlichkeit für den Kampf gegen das Gaza-Jericho-Abkommen mobilisieren soll. Unter den Organisatoren sind hohe Reserveoffiziere, Vorsitzender soll Professor Hillel Weiß von der religiösen Bar Ilan Universität werden.

Inzwischen wurde ein Plan von Siedlern bekannt, unter dem Namen „Haschomer“ (Der Wächter) eine eigene bewaffnete Verteidigungstruppe einzurichten. Israels oberster Staatsanwalt, Michael Ben-Yair nannte das Vorhaben illegal und forderte die Sicherheitsbehörden auf, die Gründung zu verhindern. Für die Sicherheit in den besetzten Gebieten seien ausschließlich die israelischen Sicherheitsorgane und die Regierung verantwortlich. Siedlersprecher kündigten jedoch an, die Organisation trotzdem zu gründen und ihre Legalität notfalls vor Gericht zu erstreiten. Die israelischen Siedler in den besetzten Gebieten sind ohnehin alle bewaffnet und maßen sich gegenüber Palästinensern Polizeigewalt an.

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