■ Regierung unter Druck: Schutz in der Kirche
Mitte September drohte in der Schweiz die Ausweisung von 300 abgewiesenen AsylbewerberInnen aus der serbischen Provinz Kosovo. Alle Aufrufe und Verhandlungen fruchteten nicht. Am 13. Oktober verfügte die Berner Kantonsregierung die Ausweisung. Achtzehn Berner Kirchengemeinden stellten daraufhin 110 Kosovo-AlbanerInnen unter ihren Schutz und gewährten Kirchenasyl. Es folgte eine heftige öffentliche Diskussion über die Lage im Kosovo, die Verantwortung der Schweiz und über Legalität und Legitimität des Kirchenasyls.
Bereits im Sommer hatten die bürgerlichen Bundesratsparteien auf der eidgenössischen Ebene eine Kampagne für die „Innere Sicherheit“ lanciert. Die im Hinblick auf anstehende Wahlen in der Stadt Zürich und in den Kantonen Genf und Bern gestartete Kampagne soll in einer für die Schweiz ungewohnt schwierigen Situation mit rund 200.000 Arbeitslosen und neu verarmten Bevölkerungsschichten aufkeimende Ängste in Fremdenangst kanalisieren. So werden repressive Eingriffsmöglichkeiten legitimiert.
Der Justizminister der Christlichen Volkspartei, der Legalist und Christdemokrat Koller, sieht das Kirchenasyl als mit dem Rechtsstaat unvereinbar an. Viele Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Politik und Kultur haben öffentlich einen differenzierteren Diskurs entwickelt. Sie leiten das Kirchenasyl aus der Geschichte und der moralischen Verantwortung ab und legitimieren es voll und ganz. Und das zu Recht. Eine am Kirchenasyl beteiligte Bernerin sagte es so: „Die Bibelstelle ,Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist‘, heißt für mich: ,Der Kaiser darf Steuern einfordern, aber er hat nichts zu sagen über das Leben und den Tod eines Menschen.‘“ Gestützt wird diese Haltung durch einige Gerichtsurteile der letzten Jahre: Mitte der 80er entwickelte sich eine recht starke Solidaritätsbewegung mit abgewiesenen Asylsuchenden aus Sri Lanka. Dabei wurden Gerichtsentscheide provoziert, die nicht alle gegen die FlüchtlingsbetreuerInnen und das Kirchenasyl ausfielen.
Als Kontrapunkt zu der Kampagne unter dem Titel „Innere Sicherheit“ steht zur Zeit in der Schweiz einmal mehr die Diskussion über eine Rehabilitierung des früheren sanktgallischen Polizeidirektors Grüninger. Er war unehrenhaft entlassen worden, weil er Hunderten von jüdischen Flüchtlingen das Leben gerettet hatte. Auf der dunklen Geschichte der schweizerischen Asylpolitik kleben noch einige Farbtupfer. Peter Sigerist
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